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Referat Frau PD Dr. Urt1ommerwerck, Zusammenfassung durch Sabine Habicht | So erschienen im Alpha1-Journal 2/2025.
„Wenn’s schleimt, könnte etwas sein …“, so kündigte Marion Wilkens in ihrer Begrüßung den Vortrag von Dr. Urte Sommerwerck zu „Alpha1 und Bronchiektasen“ an und formulierte damit einen wichtigen Hinweis: Bei einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel sollte immer an die Möglichkeit gedacht werden, dass begleitend Bronchiektasen vorliegen können.
Bronchiektasen
Bronchiektasen bzw. Bronchiektasie sind gemäß Definition eine chronische Erweiterung (Dilatation) der Bronchien und der kleinsten Bronchiolen als Folge einer Zerstörung der Muskulatur und des elastischen Bindegewebes.
Der Begriff Bronchiektasie setzt sich aus „Bronchien“ und „Ektasie“ zusammen. Bronchien sind die unteren Atemwege in der Lunge. Das hohlkörperartige Atemleitsystem besteht aus immer kleiner werdenden Verästelungen. Ektasie bedeutet im medizinischen Fachterminus die meist spindel-, sack- oder bläschenförmige Ausweitung eines Hohlkörpers oder Gefäßes. Bronchiektasen werden daher auch als Erweiterungen bzw. Aussackungen der unteren Atemwege bezeichnet.
Symptomatik
Die Symptomatik steht insbesondere durch die Ansammlungen von Sekret in den Bronchiektasen und den sich daraus entwickelnden Infektionen der Bronchien:
- chronischer Husten
- Auswurf (oftmals schleimig, verfärbt)
- Blut im Auswurf
- Rasselgeräusche
- wiederholte Infektionen, die sich durch eine Zunahme von Husten und Auswurf über das gewohnte Maß hinaus zeigen
- Infektionen mit seltenen, ungewöhnlichen Keimen
- Schmerzen im Brustkorb
- Atemnot
- starke Müdigkeit
- akute Verschlechterungen (Exazerbation), z. T. mehrmals im Jahr
Als häufigste Symptome treten Husten mit großen Mengen von schleimigem und manchmal auch eitrigem Auswurf auf, gefolgt von Kurzatmigkeit bzw. Atemnot. Das Ausmaß der Symptomatik gestaltet sich sehr individuell und ist von Patient zu Patient verschieden.
Gut zu wissen: Erst das Vorliegen von Symptomen lässt Bronchiektasen zu einer Bronchiektasenerkrankung werden.
Häufigkeit
Die Bronchiektasen-Erkrankung ist eine heterogene chronische Lungenerkrankung, die mit vielen verschiedenen Erkrankungen, wie z. B. Asthma, COPD und Lungenemphysem assoziiert sein kann.
Welche Rolle Bronchiektasen durch einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) einnehmen, ist bisher nicht hinreichend geklärt. Gemäß dem Bronchiektasen-Register wird derzeit von 1 bis 5 % Patienten mit Bronchiektasen innerhalb des AATM-Kollektivs ausgegangen. Bei 36 % der Patienten innerhalb des Registers ist die Ursache der Bronchiektasen jedoch unbekannt, unter denen sich möglicherweise weitere Patienten mit AATM befinden. Die klinisch relevanteste Form bei einem AATM ist der Genotyp PIZZ, die homozygote Form. Sowohl PIZZ als auch die Genvariante Null haben ein hohes Risiko von 80 bis 100 %, ein Lungenemphysem zu entwickeln.
Eine Studie mit ausschließlich substituierten AATM-Patienten dokumentiert, dass 18 % der Teilnehmer Bronchiektasen aufweisen, was vermutlich mit der Schwere der Erkrankung in Verbindung steht.
Diagnostik
Neben diagnostischen Verfahren, wie z.B. Lungenfunktionsprüfung, Laboruntersuchung (z. B. Entzündungsmarker, Eosinophile), zytologischer Untersuchung (z. B. des Sputums), gilt die Bronchoskopie als Methode der Wahl zur Basisdiagnostik die hochauflösende Computertomografie (CT). Röntgenuntersuchungen reichen zur Diagnostik nicht aus.
Bronchiektasen werden in der CT anhand folgender Kriterien diagnostiziert:
- bronchoarterielle Ratio ≤ 1 (der Bronchus muss größer sein als die Arterien)
- fehlende Verjüngung des Bronchus mit einem Abstand von der viszeralen Pleura ≤ 1 cm (erweiterte Bronchien, die fast bis an die Brustwand, ans Rippenfell heranreichen)
Gut zu wissen: Wurde in den vergangenen zwei Jahren kein CT durchgeführt, sollte bei Verdacht auf Bronchiektasen eine Computertomografie erfolgen. Neben dem Radiologen sollte auch ein Lungenfacharzt die Ergebnisse des CTs überprüfen, da Bronchiektasen durchaus übersehen werden können.
Nutzen Sie die Optionen der Stufendiagnostik von Hausarzt, Lungenfacharzt und Bronchiektasen-Zentren. Scheuen Sie sich nicht, nach einer Überweisung zu fragen, und seien Sie sich bewusst, dass in akuten Fällen eine rasche Terminierung bei Fachärzten und Zentren möglich ist.
Therapieziele
- Behandlung der Grunderkrankung
- Verbesserung der mukoziliären Clearance
- Prophylaxe von Infektionen (z.B. Impfung)
- Therapie der Infektion
- Behandlung der Atemwegsobstruktion
- Behandlung der chronischen Inflammation (Entzündung)
Mukoziliäre Clearance (Selbstreinigungsmechanismus)
Die Hauptaufgabe der Atemwege besteht in der Aufbereitung der Atemluft, hierzu zählen vor allem die Befeuchtung, die Erwärmung (vorwiegend im Mund und in der Nase) und die Reinigung. Die aufgenommene Luft wird für einen optimalen Sauerstoffaustausch in den Lungenbläschen am Ende der Bronchien aufbereitet. Die auskleidende Schleimhaut hat die Hauptaufgabe, die eingeatmete Luft zu reinigen. Denn mit jedem Atemzug können kleinste Staubpartikel, Tröpfchen, aber auch Krankheitserreger wie Bakterien, Viren oder Pilze in die Atemwege gelangen
Wichtig zu wissen: Bronchiektasen können den natürlichen Selbstreinigungsmechanismus der Atemwegsschleimhaut stören.
Das in den Aussackungen der Bronchien vermehrt stauende Sekret bietet einen optimalen Nährboden für Bakterienbesiedelungen und ist Quelle häufig wiederkehrender Infektionen. Bei der Bakterienbesiedelung sind nicht nur „normale“ Bakterien zu finden, sondern z. B. auch Erreger wie Pseudomonas aeruginosa, Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken), die schwerwiegende Infektionen auslösen können. Hierbei spielen sogenannte Biofilme eine Rolle, mikrobielle Gemeinschaften, die sich an der Schleimhaut der Atemwege festsetzen und eine zähe, schützende Matrix bilden. Diese Biofilme können die Behandlung von Atemwegsinfektionen erschweren, da sie Erreger vor dem Immunsystem und Antibiotika schützen.
Sekretmanagement
Ein eigenständiges Sekretmanagement, um den Schleim zunächst zu verflüssigen und dann aus den Bronchien zu entfernen, unterstützt die mukoziliäre Clearance und sollte regelmäßig konsequent angewendet werden. Sprechen Sie zunächst mit Ihrem Lungenfacharzt, Ihrer Atemphysiotherapeutin, Ihrem Atemtherapeuten und lassen Sie sich beraten, welches der verschiedenen Aerosolinhalationsgeräte individuell für Ihre Situation das Geeignetste ist. Eine Unterweisung in der richtigen Anwendung ist zu empfehlen. Die Atemphysiotherapie nimmt eine wesentliche Rolle innerhalb der Behandlung einer Bronchiektasie ein.
Inhalationsplan
Lassen Sie sich von Ihrem Arzt einen Inhalationsplan erstellen, damit die Anwendung der Therapie so effektiv wie möglich erfolgt.
Ein Beispiel für eine optimale Abfolge zum besseren Verständnis:
- Zunächst Inhalation des schnell wirksamen Bronchodilatators (z. B. Salbutamol, Atrovent). Nach der Inhalation 5 Minuten warten.
- Danach Inhalation des Mukolytikums (z. B. Kochsalz 0,9 %, 3 % oder 6 %)
- Das befeuchtete Sekret lässt sich nun mittels Atemtherapie (wie von Ihrem Therapeuten empfohlen) leichter entfernen.
- Erst danach erfolgt die Inhalation des langwirksamen Sprays.
- Zuletzt ggf. inhalatives Antibiotikum (sofern 5 verordnet).
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, Ihrer Ärztin auch über eine Patientenschulung! Die richtige Anwendung einer Inhalation muss erlernt werden. Für die Sekretmobilisation, das Lösen des Sekrets, können Hilfsmittel eingesetzt werden.
Prophylaxe von Infektionen
Nutzen Sie Impfungen, um schwerwiegende Infektionen zu vermeiden. Als Beispiel seien Streptococcus pneumoniae genannt bzw. Pneumokokken, der häufigste Auslöser für eine Lungenentzündung. Mit dem neuen Pneumokokken-Impfstoff CV20 (auch bekannt als PCV20 oder Prevenar 20) ist jetzt nur noch eine Impfung erforderlich.
Fragen Sie Ihren Arzt auch nach den empfohlenen weiteren Impfungen für chronische Atemwegs- und Lungenpatienten und ihren derzeitigen Impfstatus.
Staphylococcus aureus ist ein Bakterium, das gehäuft in geschädigten Lungen vorkommt. Dessen Ursprungsort sind zumeist die Zähne. Von dort wandert das Bakterium in die Lunge. Gehen Sie daher mindestens einmal, besser zweimal jährlich zur Zahnprophylaxe (Zahnreinigung) zum Zahnarzt – auch wenn Ihre Krankenkasse diese Kosten nicht übernimmt. Einige gesetzliche Krankenkassen übernehmen übrigens inzwischen zumindest einen Anteil.
Für Patienten mit einer Langzeit-Sauerstofftherapie ist es oftmals schwierig, eine Zahnreinigung vornehmen zu lassen. Suchen Sie sich ggf. Rat in einer Lungenklinik, die Sie beratend bei einem Zahnarzt vorstellen kann.
Behandlung der chronischen Entzündung
Insbesondere werden Antibiotika zur Bekämpfung der bakteriellen Infektion eingesetzt. Wobei einige Antibiotika nur gegen einzelne, andere gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Bakterienarten wirken. Ergänzend besteht die Möglichkeit einer Antibiotikaprophylaxetherapie.
Ein neues Medikament befindet sich aktuell im Zulassungsverfahren. Brensocatib ist das erste Medikament, das die chronische Entzündung ursächlich behandeln soll. Die Zulassung wird für nächstes Jahr erwartet.
Der Einsatz von sogenannten Biologika wird derzeit bei COPD-Patienten mit einer erhöhten Eosinophilenzahl in Studien untersucht und findet vermutlich ebenso bei eosinophilen Bronchiektasen Anwendung. Eine Ergänzung oder Alternative zum bisherigen Einsatz von Cortison.
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