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Seminar: Dr. David Katzer und Dr. Alexander Weigert, Bericht Gabi Niethammer | So erschienen im Alpha1-Journal 1/2025.

Unser Seminar startet mit der Vorstellung der beiden Referenten Dr. David Katzer und Dr. Alexander Weigert, beide Kinderhepatologen an der Unikinderklinik Bonn, welche auch eins der führenden Alpha1-Kindercenter ist.

24 Eltern und zwei Jugendliche sind gekommen, um sich zu informieren und auszutauschen. Als Beirätin für Kinder und Jugendliche freue ich mich besonders über die beiden jungen Alphas – wie schön und wichtig, sich frühzeitig für die eigene Gesundheit einzusetzen. Toll, dass ihr da seid!

Gleich zu Beginn wird per Handy interaktiv abgefragt, woher die Teilnehmer kommen und welche Genotypen sie haben. Interessant ist die Schlagwortabfrage über die drängenden Fragen und gewünschten Themen für dieses Seminar. Ziel ist, am Ende alle Fragen beantwortet zu haben.

Die beiden Referenten beginnen mit einem Überblick über die Erkrankung, um alle Anwesenden auf einen Stand zu bringen. Zur Häufigkeit der Verbreitung von Pi*ZZ haben sie folgende Zahlen:

  • Inzidenz Pi*ZZ: 1:2.000 bis 1:4.000
  • Bei ca. 780.000 Geburten pro Jahr sind das 200 bis 400 Neugeborene pro Jahr
  • Somit 3.600 bis 7.200 Kinder in Deutschland mit schwerem AATM
  • Stand 01/2022 betreuten 7 von 10 deutschen Kinderzentren insgesamt 178 Patienten

In Bezug auf die Leber ist ihr Fazit, dass es unklar ist, wie viele Kinder eine relevante Leberschädigung entwickeln, dass die Einflussfaktoren auf den Krankheitsverlauf nicht bekannt sind und somit keine Prognosen über den Krankheitsverlauf möglich sind.

Beruhigend zu wissen ist, dass nur ca. 5 % der Kinder mit dem schweren Mangel (Pi*ZZ und ggf. Pi*SZ) eine Lebertransplantation benötigen und wenn, dann meist im Vorschulalter.

Was die Lunge betrifft, sind bei Kindern und Jugendlichen keine Probleme zu erwarten. Damit dies im Erwachsenenalter so bleibt, ist es wichtig, die jungen Menschen schon früh für das Thema Lunge zu sensibilisieren und ihnen an die Hand zu geben, dass sie selbst sehr viel dafür tun können, später, mit ca. 40 Jahren, keine Lungenprobleme zu bekommen:

  • Kein Rauchen/Passivrauchen
  • Meidung von Feinstaub, Abgasen etc.
  • Impfungen nach STIKO plus Grippe, Corona, Hepatitis A
  • Schadstoffarme Berufswahl

Der Alpha-1-Spiegel ist bereits bei Neugeborenen im Blut messbar. Er verändert sich im Lauf des Lebens nicht wesentlich, es sei denn, das betroffene Kind hat eine Entzündung im Körper, die den Spiegel gerade hochtreibt. Es ist daher wichtig, diesen zu messen, wenn das Kind keinen Infekt hat und der Körper nicht unter großem Stress steht , z. B. durch eine Verbrennung o. Ä.

Eine wesentliche Frage im Plenum ist, wann und wie das Kind aufgeklärt und mit ins „Alpha1-Boot“ genommen werden soll. Als Kinderärzte sagen beide Referenten, dass sie immer wieder erstaunt sind, wie gut Kinder auch mit schlechteren Diagnosen umgehen können.

Es ist sinnvoll, sie schrittweise an das Thema Alpha-1-Antitrypsin-Mangel heranzuführen und die Kinder frühzeitig und regelmäßig beim Kinderhepatologen vorzustellen. Hier ist die Empfehlung aus dem Alpha1 Kindercenter Bonn:

  • Bei guten Verläufen Vorstellung von Pi*ZZ oder Pi*SZ meist 1 × pro Jahr
  • Bei Säuglingen und Kleinkindern häufigere Kontrollen (alle 3 oder 6 Monate oder noch häufiger bei relevanter Lebererkrankung)
  • Bei Pi*MZ alle 2–3 Jahre

Die Untersuchung umfasst ein Aufklärungsgespräch, die Blutuntersuchung, einen Ultraschall und bei Jugendlichen zusätzlich zumindest eine Lungenfunktionsmessung für den späteren Abgleich als Erwachsener. Weitere diagnostische Unterstützung können Elastografie oder Fibroscan sein, bei denen die Steifigkeit des Lebergewebes abgeschätzt wird. In einzelnen Fällen kann eine Leberbiopsie unter Sedierung notwendig sein, bei der etwas Lebergewebe entnommen wird.

Für Betroffene bedeutet die Diagnose, dass ein Leben lang bei jeder Alpha-1-Untersuchung Blut abgenommen wird. Wie kann nun das kleine Kind auf die anstehende Blutabnahme vorbereitet werden? Laut Empfehlung der beiden Kinderärzte ist eine vorherige Ankündigung zu Hause sehr sinnvoll. Auch wenn es zunächst vielleicht Geschrei deswegen gibt, wird die eigentliche Blutentnahme später nicht als so traumatisch empfunden und bleibt nicht als einziges in Erinnerung, sondern vielleicht das gut geführte Arztgespräch oder der interessante Ultraschall. Die Ärzte sehen immer wieder total traumatisierte Kinder, die vorher oft schlecht und unaufgeklärt gestochen wurden. Dieses Trauma bekommt man später schwierig aus den Kindern heraus und es begleitet die Alphas dann ein Leben lang.

Für viele Kinder und Jugendliche ist die lokale Betäubung (Emla®, Tapfi®) vor der Blutentnahme eine gute Hilfe, so spüren sie den Stich nicht als Schmerz und sind offener für spätere Blutuntersuchungen. Die Pflaster oder Cremes gibt es in der Apotheke (auch auf Rezept) zu kaufen, und sie sollten mindestens 30 Minuten vor der Blutentnahme von den Eltern aufgeklebt worden sein, damit die Untersuchung ohne Verzögerung starten kann. Je älter die Kinder und Jugendlichen werden, umso mehr spielen Faktoren wie Freunde, Schule und Freizeit eine Rolle. In der Runde wird diskutiert, inwieweit die Kinder öffentlich sagen sollen, dass sie den Gendefekt haben. Hier berichtet eine Mutter, dass ihr Sohn auf die Frage: „Bist du krank?“ Die Antwort hat: Bisher nicht, aber ich will es auch nicht werden! Was für eine geniale Aussage, denn sie zeigt deutlich, dass sich das Kind nicht von den anderen unterscheidet und gleichzeitig Verantwortung für sich übernimmt, damit es auch so bleibt.

Es ist sehr gut, wenn die Kinder altersgerecht aufgeklärt sind, also schon früh damit begonnen wird. Sobald sie in die Pubertät kommen, stürzen so viele Dinge auf sie ein, dass es schwierig wird, mit der Aufklärung dann erst zu starten, weil man sie als Eltern in dieser Zeit ggf. nicht vollumfänglich erreicht. Je widerstandsfähiger die jungen Menschen also sind, umso besser sind sie gegen mögliche Einflüsse wie Rauchen, Kiffen und viel Alkohol aus ihrem sich erweiternden Umfeld gewappnet.

Unterstützung zu Alltagsfragen von Kindern und Jugendlichen mit AATM bieten die „12 Fragen – 12 Antworten“, die Frau Dr. Eva Pfister von der MH Hannover eingesprochen hat und die auf unserer Homepage zu finden sind. Ein sehr relevantes Thema ist die Transition, die den geplanten Übergang von Jugendlichen mit chronischen Krankheiten aus der Kinder- in die Erwachsenenmedizin beschreibt. Hier gibt es einige Herausforderungen, damit der Übergang gelingt:

  • Wechsel von familienzentrierter zu patientenzentrierter Betreuung
  • Fehlende Übergabestrukturen zwischen Pädiatrie und Erwachsenenmedizin (Informationsverlust)
  • Ängste vor dem Verlust vertrauter Ansprechpartner
  • Transition findet oft in einer Lebensphase mit vielen weiteren Umbrüchen statt (z. B. Schulabschluss, Ausbildung, Auszug von zu Hause). Die jungen Erwachsenen fühlen sich nicht krank und sehen selbst nicht unbedingt die Notwendigkeit, sich regelmäßig untersuchen zu lassen.

Eine Möglichkeit, die jungen Erwachsenen dahin zu bringen, sich jährlich in einem Alpha-1 Center untersuchen zu lassen, ist die Einschleusung in das Register EARCO, ein paneuropäisches Netzwerk, das sich der Förderung der klinischen Forschung und Ausbildung im Bereich Alpha 1-Antitrypsin-Mangel (AAT-Mangel) verschrieben hat. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage.

Wie sehen derzeit die Therapiemöglichkeiten für den AATM aus?

Die Lebertransplantation ist die einzige kurative Therapie. Diese ist bei weniger als 5 % der Kinder und Jugendlichen mit schwerem AATM notwendig. Da eine Transplantation mit der lebenslangen Einnahme von Medikamenten verbunden ist und immer auch die Möglichkeit einer Abstoßung besteht, ist dies keine Lösung, nur um den AATM loszuwerden. Zum Thema Lebertransplantation gibt es auf unserem YouTube-Kanal ein ausführliches Referat des Bonner Spezialisten Prof. Dr. Rainer Ganschow.

Bei schwerer Lebererkrankung kann die Gabe von fettlöslichen Vitaminen (Vitamin A, D, E und K) angezeigt sein. Viele Alpha-Kinder erhalten Ursodeoxycholsäure (Urso falk®) als möglichen Therapieversuch zum Schutz der Leber. Es handelt sich um eine körpereigene Gallensäure, die die Zusammensetzung der Gallenflüssigkeit verändert. Es sind keine relevanten Nebenwirkungen bekannt, es gibt allerdings für Kinder keine Studien über den Nutzen.

Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel sollte nicht dazu führen, dass das Kind irgendwelche Sportarten meidet. Es darf gern mit Spaß alles ausprobieren, was es möchte. Einzige Ausnahme ist, wenn in seltenen Fällen die Milz stark vergrößert ist. Dann sollte das Kind Kontaktsportarten meiden, worauf die betreuenden Ärzte dann auch hinweisen werden.

Dr. Katzer und Dr. Weigert haben das Alpha-1 Kids-Register übernommen und 2023 neu gestartet. Über diese App können Familien die medizinischen Daten ihrer Kinder dem Team zur Verfügung stellen. Die App ist datenschutzkonform und sehr einfach zu bedienen. Die Familien haben einiges davon, denn es sind wertvolle Informationen zum AATM hinterlegt und die Gesundheitsdaten der Kinder können unkompliziert auch für die eigenen Belange (z. B. Information bei Arztwechsel) gesammelt werden. Mithilfe von Erst- und Verlaufsbögen sowie der Möglichkeit, Laborwerte einfach per Handyfoto einzustellen, erhält das Team der Uniklinik Bonn die Möglichkeit, die Daten für die AATM-Forschung auszuwerten. Für die Familien bedeutet es, aktiv werden zu können und etwas dafür zu tun, dass die Forschung rund um den AATM weiter befeuert wird. Zu finden ist die App auf der Website https://alpha1kids.de und in den App-Stores unter alpha-1-KIDS.

Theoretisch ist die App weltweit anwendbar, die Ethikkommission hat vor Kurzem das GO dafür gegeben. Nun sollen nach und nach andere Länder eingebunden werden. Eine weitere sinnvolle App für Kinder und junge Menschen mit seltenen und chronischen Erkrankungen oder Behinderungen ist unrare.me, die u.a. vom Kindernetzwerk und dem Zentrum für seltene Erkrankungen Bonn entwickelt wurde. Es ist eine Kommunikationsapp für Menschen, die eine Diagnose erhalten haben und sich datensicher austauschen wollen. Interessant ist sie auch für Menschen, die Symptome haben, jedoch noch keine Diagnose haben und sich ebenfalls austauschen möchten. Die App ist für Betroffene, Angehörige und jegliches Fachpersonal zur Vernetzung untereinander eingerichtet.

Alpha-1-Untersuchung: Leberbezogene Blutwerte

AST (GOT)

  • Enzym aus Leber- und Muskelzellen
  • Erhöht bei Schädigung der Leber- oder Muskelzellen

ALT (GPT)

  • Enzym v. a. aus Leberzellen
  • Erhöht bei Schädigung der Leberzellen

GLDH

  • Enzym aus Mitochondrien („Kraftwerke der Zellen“) von Leberzellen
  • Erhöht bei stärkerer Schädigung der Leberzellen

yGT (Gamma-GT)

  • Enzym aus vielen Zellen
  • Erhöht v.a. bei Schädigung der Leber und Gallenwege

Bilirubin

  • Abbauprodukt des Blutfarbstoffs
  • Wird in der Leber von „indirektem“ zu „direktem“ Bilirubin umgewandelt (zusammen Gesamtbilirubin)
  • Wird über die Gallenwege in den Darm transportiert und mit dem Stuhl ausgeschieden
  • Bei erhöhtem Bilirubin („Gelbwert“) kommt es zu einer Gelbfärbung der Skleren und der Haut (Ikterus)
  • Bei Problemen in der Leber oder den Gallenwegen ist das direkte Bilirubin erhöht

Gallensäuren

  • Werden in der Leber gebildet und über die Galle in den Darm ausgeschieden
  • Helfen bei der Verdauung von Fetten
  • Bei Problemen mit dem Gallenabfluss oder mit der Leber erhöht
  • Erhöhte Gallensäuren verursachen Juckreiz
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