Hilfe: mein Sohn hat Alpha-1 – ein Erfahrungsbericht von Gabi Niethammer
AutorIn
Alpha1 Deutschland e.V.
Knapp zwei Jahre nach Geburt unserer Tochter kam 2003 unser Sohn zur Welt und wir hatten das herrliche Gefühl, nun eine komplette Familie zu sein.
Unser kleiner Säugling hatte lange mit einer Gelbsucht zu tun, was wir Eltern als nichts Besonderes empfanden. Vier Wochen nach Geburt jedoch bekam er plötzlich ohne ersichtlichen Grund Nasenbluten und wir gingen zur Abklärung ins Krankenhaus. Seine Blutgerinnung lag bei dramatischen 6 %, was die Ärzte auf den Plan rief bei der Vorstellung, der Kleine hätte fallen und innerlich verbluten können.
Es folgte eine nervenzermürbende Woche im Krankenhaus, in der nach und nach verschiedene Krankheiten ausgeschlossen wurden. Nach einigen Tagen hatten wir die uns völlig unbekannte Diagnose Alpha-1-Antitrypsin-Mangel in homozygoter Form. Wir kramten aus unserer Allgemeinbildung alte Mendelsche Regeln hervor und fragten uns ansonsten bei Ärzten und Schwestern durch. Doch wie es so ist, je mehr wir fragten, umso beängstigendere Antworten erhielten wir.
Am Ende der fünften Lebenswoche unseres Sohnes stand fest, er müsse baldmöglich an der Leber transplantiert werden – was für ein Schock! Erst die letzte Untersuchung der Gallengänge zeigte, dass es sich nicht um einen derart dramatischen Zustand handelte und aus der anstehenden Transplantation wurde ein: Nehmen Sie das Kind erst einmal mit nach Hause und stellen es in drei Monaten wieder vor.
Zuhause begannen wir – gegen den Rat vieler – im Internet zu surfen und fanden dort schockierenden Zahlen zu Krankheitsprognosen und Lebenserwartung. Unser Sohn hatte im Laufe der nächsten Jahre zahlreiche Infekte, darunter einige schwerwiegendere und auch eine Lungenentzündung. Später kamen einige Ohrentzündungen hinzu. Für uns als Eltern war dies deprimierend und wir machten uns große Vorwürfe, uns nicht genügend um sein Wohl gekümmert zu haben. Jegliches gesunde „Bauchgefühl“ hatte uns verlassen und hatte einer großen Unsicherheit Platz gemacht.
In diesem Zustand stießen wir, gut ein Jahr nach der Diagnose, durch eine kleine Zeitungsankündigung auf den Verein Alpha1 Deutschland. Wir wurden Mitglieder und nutzten die Hilfsangebote und Informationen. Mit jedem Monat wurden wir sicherer im Umgang mit der Erkrankung, lernten betroffene Kinder und Eltern kennen, engagierte Ärzte und einen Verein, der wirklich etwas bewegte. 2005 begann ich, als Schriftführerin mit im Vorstand zu arbeiten, um möglichst aktiv die Geschicke unseres Sohnes begleiten zu können und diesem Gendefekt nicht so hilflos ausgeliefert zu sein.
Wir ließen unsere Familie testen. Erwartungsgemäß waren wir Eltern Träger und glücklicherweise nicht auch noch selbst betroffen. Das hätte noch gefehlt, da mein Mann seit vielen Jahren rauchte und die Auswirkungen vielleicht schon verheerend gewesen wären. Prompt nahm er dies zum Anlass, die geliebten Selbstgedrehten für immer wegzuwerfen. Auch unsere Tochter ist Trägerin – ganz ohne das leidige „Z“-Allel scheint es bei uns nicht zu gehen.
Heute nun, 15 Jahre später, arbeite ich immer noch intensiv im Verein mit und versuche alles Erdenkliche zu tun, damit betroffene Familien schnellstmöglich Hilfe und Sicherheit erhalten und nicht so allein mit ihren Ängsten stehen, wie wir es lange taten.
Unserem Sohn geht es bestens, seine Leberwerte haben sich normalisiert und tatsächlich ist er bei Erkältungen in der Familie derjenige, der am wenigsten davon abbekommt.