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Alpha-1-Antitrypsin-Mangel – Was passiert in der Leber?

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Dr. Pavel Strnad, Europäisches Referenzzentrum Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, Uniklinik RWTH Aachen

Zu Beginn seines Referates fasste der Referent noch einmal die wichtigsten Grundlagen zur Leberbeteiligung bei AATM zusammen (siehe Journale 1/2017 und 1/2018). Danach stellte er die neuesten Auswertungen der Alpha-1-Leber-Studie vor.

Die Alpha-1-Leber-Studie

An der Studie haben sich schon viele Konferenzbesucher als Probanden beteiligt. Das Projekt findet in neun europäischen Ländern statt und richtet sich an alle Patienten mit einem AATM und an ihre Angehörigen. Den Patienten mit einem schweren AATM (PiZZ/PiSZ) wird aufgrund ihrer erhöhten Risiken eine Teilnahme dringend empfohlen. Die Forscher möchten das Ausmaß der Lebererkrankung systematisch erfassen und umfassend beschreiben.
Dazu werden die Patienten mit Fragebögen nach ihren Beschwerden gefragt, es werden Blutproben analysiert und die Steifigkeit der Leber wird mit einem FibroScan® Gerät ermittelt. Messwerte oberhalb von 7,1 kPa (Kilopascal) deuten auf eine bindegewebige Umbildung (Fibrose) der Leber hin.
Für die teilnehmenden Patienten hat die Studie den Vorteil, dass sie eine umfassende Information über die Gesundheit ihrer Leber erhalten. Wenn die Befunde für eine Lebererkrankung sprechen, empfehlen die Ärzte je nach den individuellen Umständen eine Leberbiopsie, also die direkte Entnahme eines winzigen Stückchens Lebergewebe. Unter dem Mikroskop kann man die Leberzellen genau beobachten und die Lebererkrankung klassifizieren.

Ergebnisse von Patienten mit PiZZ-Typ

Bisher wurden rund 600 Patienten mit AATM vom PiZZ-Typ untersucht. Seitens der Angehörigen nahmen etwa 250 Menschen mit PiMZ-Typ sowie 234 Personen mit komplett gesunder Genetik (PiMM) teil.
Die Leberwerte ALT und AST (früher GPT und GOT genannt) sind die typischen Leberwerte, die auch der Hausarzt immer zuerst bestimmt. Zusammen mit den Gallewerten Bilirubin, Gamma-GT und alkalische Phosphatase (AP) zeigen sie eine Momentaufnahme der Leber an. Erst spät im Krankheitsverlauf werden die Marker der Leberproduktion auffällig, zu denen Quick/INR, Albumin und Pseudocholinesterase gehören.
In der Alpha-1-Leber-Studie zeigte sich wie erwartet, dass die meisten Menschen mit PiZZ-Typ normale Werte für ALT, AST, Gamma-GT und alkalische Phosphatase hatten. Nur bei 15-20% fand man auffällige Werte. Im FibroScan® war die Steifigkeit der Leber bei 61% aller PiZZ-Patienten normal oder allenfalls geringfügig erhöht. Der Verdacht auf eine Leberfibrose bestand bei 23% der Patienten, 11% hatten eine schwere Leberfibrose und 5% eine Leberzirrhose.
Neben dem Fibroscan gibt es noch alternative Methoden, mittels denen man Hinweise auf eine bestehende Lebererkrankung erhalten kann. Hierzu kann zum Beispiel der Leberwert AST und die Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten) verwendet werden. Aus beiden lässt sich, nach Männern und Frauen getrennt, der APRI-Wert (AST/Thrombozyten-Ratio-Index) berechnen. Normalerweise liegt er unter 0,5. Der Wert über 0,5 spricht für eine beginnende, der Wert über 1,0 für eine fortgeschrittene Leberfibrose. Bei PiZZ-Patienten lag der APRI-Wert zehnmal häufiger über 1,0 als bei Probanden ohne AATM. Wenn man die Leberfibrose mittels Fibro-scan betrachtete (hier spricht ein Wert über 10 kPa für eine fortgeschrittene Leberfibrose), war das Risiko bei dem PiZZ-Genotyp sogar zwanzigmal höher.

In der Studie wurde auch untersucht, wie sich die Sub-stitutionstherapie mit Alpha-1-Antitrypsin auf die Leber auswirkt. Dazu wurden zwei Gruppen von PiZZ-Patienten gebildet, solche mit (275) und solche ohne (206) Substitutionstherapie. Unter Therapie mit Alpha-1-Antitrypsin waren die Leberwerte AST, Gamma-GT und Bilirubin etwas günstiger als ohne diese Behandlung. Vielleicht lässt sich dies mit der entzündungshemmenden Wirkung von Alpha-1-Antitrypsin erklären. Auch im FibroScan® waren die Befunde unter Substitution etwas besser, denn Werte oberhalb von 10 Kilopascal fand man nur bei 11% der substituierten im Vergleich zu 16% der nicht behandelten Patienten.

Ergebnisse von Angehörigen mit PiMZ-Typ

In der deutschen Gesamtbevölkerung ist der PiMZ-Typ bei mind. jedem 50. Menschen anzutreffen. In der Alpha-1-Leber-Studie wurde untersucht, ob diese Mutation eine chronische Lebererkrankung fördert. Die Leberwerte der PiMZ-Angehörigen lagen zwischen denen von Menschen mit gesunder Alpha-1-Genetik (PiMM) und den Patienten mit PiZZ-Typ. Ähnlich war es bei der Lebersteifigkeit, die bei PiMZ häufiger erhöht war als bei PiMM-Probanden. Noch ungünstiger war die Situation, wenn Menschen mit PiMZ zusätzlich starkes Übergewicht hatten. Die Adipositas gilt als wichtiger und prinzipiell vermeidbarer Risikofaktor für eine Leberzirrhose.

Andere Lebererkrankungen und PiMZ-Typ

Starker Alkoholkonsum ist mit einer Belastung der Leber verbunden, bis hin zum Endstadium der Leberzirrhose. Das Risiko für eine Leberzirrhose ist bei Alkoholikern gut fünfmal höher, wenn sie einen PiMZ-Typ haben. Ähnliches gilt für eine andere sehr häufige Lebererkrankung, nämlich die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung. Hier ist das Risiko für eine Leberzirrhose bei Personen mit PiMZ siebenfach höher als bei normalem Genotyp PiMM.

Neues Therapieprinzip in klinischer Entwicklung

Ein vollkommen neues Therapieprinzip soll in Kürze in einer klinischen Prüfung überprüft werden: die siRNA-basierte Behandlung oder RNA-Interferenz. Wenn in der Leberzelle Eiweiß gebildet wird, wird die Erbinformation von der DNA übertragen in die sogenannte Boten-RNA (engl. messenger RNA, mRNA). Sie ist gewissermaßen eine Kopie des Erbguts und Voraussetzung dafür, dass in einem anderen Bereich der Zelle das jeweilige Eiweiß synthetisiert werden kann. Inzwischen wurden Medikamente zugelassen, die das Ablesen der mRNA unterbinden. Sie wirken über künstlich hergestellte siRNA (small interfering RNA), die somit einzelne Gene quasi stumm schalten können.
Speziell für den Alpha-1-Antitrypsin-Mangel wurde jetzt eine solche siRNA-basierte Behandlung entwickelt. In 2019 beginnt eine Studie der Phase II/III, die die Sicherheit, Verträglichkeit und die Wirksamkeit der neuen Substanz zeigen soll. Die Studie kommt nur für wenige Betroffene infrage: einerseits müssen die Patienten bereits eine Lebererkrankung haben, andererseits muss ihre Lunge jedoch noch verhältnismäßig gesund sein, denn die FEV1 muss über 65% des Sollwertes liegen. Sollte sich während der Studie die Lunge bei einer Exazerbation akut verschlechtern, erhalten die noch nicht substituierten Teilnehmer Alpha-1-Antitrypsin.
Die Studie wird in mehreren Ländern durchgeführt mit dem Ziel, insgesamt 72 Patienten zu untersuchen. In Deutschland ist Aachen das einzige Zentrum. Das Prüfmedikament wird unter die Haut gespritzt und soll dann über zwei Monate wirksam sein. Während der klinischen Prüfung erfolgen Leberbiopsien, um genaueste Informationen über die Lebergesundheit zu erhalten.
Interessierte sind eingeladen, sich im Alpha-1-Leberzentrum der Universitätsklinik Aachen genauer über die Studie zu informieren.

Zusammenfassung: Prof. Dr. med. Gratiana Steinkamp, so erschienen im Alpha1-Journal 1-2019.

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