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Plötzlich Corona – Erfahrungen einer Alpha-1-Betroffenen

AutorIn

Gesine

Marion Wilkens hat mich gebeten, die Geschichte meiner Coronainfektion für Euch aufzuschreiben.

Ich bin 67 Jahre alt und lebe mit meiner 90-jährigen Mutter in getrennten Haushalten in einem Mehrfamilienhaus. Wir haben uns mit sozialen Kontakten während der Coronazeit zurückgehalten und ich habe mich arrangiert, indem ich die eine oder andere Person in Abständen zum Spazierengehen eingeladen habe.

Ich selbst habe COPD Goldstufe 3, sowie panlobuläres Emphysem. Meine Mutter und ich haben uns stets draußen mit Maske, Abstand halten und Handschuhen geschützt.

Die einzige Person, vor der wir uns nicht in Acht genommen haben (Leichtsinn) und die in meine Wohnung durfte und mit mir zum Einkaufen fuhr, bekam Corona. Ich erfuhr ihre Diagnose nur dadurch, dass sie in Quarantäne geschickt wurde und nicht mehr kommen konnte.

Ca. vier Tage nach unserem letzten Zusammentreffen bekam ich Grippesymptome und Durchfall. Meine Mutter klagte über Müdigkeit und niedrigen Blutdruck, laufende Nase und Durchfall.  Den Grippeanfall habe ich noch nicht weiter ernst genommen. Wir haben Salbeitee mit Honig getrunken und ich verbrachte zwei Tage im Bett. Danach war dieser Anfall ohne Fieber überstanden und ich dachte an nichts Böses, bis ich am folgenden Wochenende feststellte, dass ich nicht mehr riechen konnte und im Geschmack nur noch salzig und süß bzw. bitter unterscheiden konnte. Mir hat nichts mehr Freude gemacht. Da meine Mutter ihren Geruchssinn vor Jahren verloren hatte, konnten wir bei ihr dergleichen nicht prüfen.

Ich bin dann Anfang der folgenden Woche zum Coronatest ins nächstgelegene Testzentrum gegangen. Dort wurde nur ein Rachenabstrich gemacht und ich hatte Zweifel, ob beim Test überhaupt die hintere Rachenwand berührt wurde, denn ich habe von diesem Vorgang rein gar nichts gespürt. Der Coronatest war negativ. Ich bin dann also wieder nach Hause und bekam in den nachfolgenden Tagen Schleim in die Bronchien, wo ich zunächst noch das Sekret abräuspern konnte. Ich hielt das für eine beginnende Exazerbation und habe 3x täglich Lavendelölkapseln genommen, die den Schleim verflüssigen sollten. Es begann nun auch eine zunehmende Schweratmigkeit, die ich mithilfe von Inhalation von Spiklavendelöl, das ich auf ein Taschentuch träufelte, zu lindern suchte. Die Schweratmigkeit wurde immer schlimmer und der Schleim saß in meinen Bronchien fest, ich konnte ihn nicht hochhusten. So benutzte ich einen Atemtrainer von Mucovac, der den Schleim mobilisieren sollte. Zusätzlich habe ich bestimmte Armbewegungen gemacht, die ich bei der Physiotherapie gelernt hatte und habe sehr viel Tee und Wasser getrunken. Damit kam ich mehr schlecht als recht über die Runden.

Als es ging, begab ich mich zur Hausärztin. Sie konnte feststellen, dass keine Lungenentzündung vorlag und ging von einem Infekt aus, der aber kein Antibiotikum brauchte. Ich hustete nun ein, zwei weitere Tage vor mich hin und das war sehr anstrengend für mich. Ich konnte nur auf dem Sofa liegen, husten und mit meinen Hausmittelchen versuchen, den Schleim in den Bronchien loszuwerden. Inzwischen ging eine weitere Woche zu Ende, ich bemerkte einen überaus niedrigen Blutdruck, der dann tagelang bei 85 oder 75 zu 54 zu messen war. Der Sauerstoffgehalt sank auf 65 %. Mir wurde bei jeder kleinen Bewegung schwindelig.  Als ich das feststellte, wollte ich beim Lungenfacharzt anrufen. Dort ging man nicht ans Telefon. Von der 116117 ganz zu schweigen. Ich scheute mich aber, den Notarzt anzurufen, da ich Angst vor dem Krankenhaus hatte. Zu diesem Zeitpunkt war überdies wegen Corona-Überbelegung Aufnahmesperre. In der nächsten größeren Stadt waren die Stationen auch randvoll belegt. Ich hatte auch Angst, den Notarzt zu rufen, weil ich mir dachte, dass ich eine Sauerstoffbehandlung nicht gut vertrage an den Bronchien. So habe ich für ständige Frischluft gesorgt, häufig die Fenster weit aufgemacht und nachdem die Atemnot dann unerträglich und angsteinflößend wurde, habe ich zum Cortison gegriffen. Dieses habe ich als Notfallmedikament immer im Haus, weil ich in einem solchen Zustand, der durchaus auch mal bei einer Exazerbation auftreten kann (mit Ausnahme der enormen Blutdruckabsenkung), nicht mehr in der Lage bin, mir ein Rezept zu besorgen. Ich muss dazu sagen, dass ich mit einer Krankenschwester befreundet bin, mit der ich während dieser Zeit per WhatsApp kommunizierte, sodass ich mich nicht gänzlich alleingelassen fühlte.

Ich habe dann also eine Cortisonstoßbehandlung durchgeführt, was in kurzer Zeit dem Husten ein Ende setzte. Auch der Blutdruck ging wieder etwas höher, ebenso der Sauerstoffgehalt. Parallel hierzu probierte ich nun einfache Atemübungen, die ich vom Yoga her kenne, am offenen Fenster und konnte beobachten, dass der Sauerstoffgehalt sich nun langsam auf die 80 % zu bewegte. Gegen Ende der Tablettenration fühlte ich dann auch wieder mehr Kraft, sodass ich die Yogaübungsreihe erweitern und dadurch die Atmung weiter festigen konnte. Physisch war ich allerdings noch nicht in der Lage, ein Treppenstockwerk hinunterzugehen, beispielsweise um meiner Mutter einen Kochtopf zu bringen. In der vorangegangenen Zeit hatten wir fast keine Versorgung gehabt und freuten uns nun, dass in dieser Phase endlich jemand zur Verfügung stand, der für uns einkaufte und aufräumte. Meine Mutter hatte ebenfalls sehr niedrigen Blutdruck, Schwindel und einen starken Schnupfen. Beide hatten wir kein Fieber.

Nach dem Cortisonstoß habe ich dann die Tabletten noch ca. weitere zehn Tage lang ausgeschlichen und in dieser Zeit dann begonnen, meine körperlichen Aktivitäten wieder aufzubauen. Zunächst langsam die Treppe zur Erdgeschosswohnung meiner Mutter wieder erobern. Dann habe ich kleine Runden um den Wohnungsblock gedreht und vor allem morgens bei offenem Fenster meine Yogaübungen gemacht. Nach ca. einer Woche habe ich dann zusammen mit einer Freundin den ersten Spaziergang in die Natur gewagt – auf wackeligen Beinen. Atmungstechnisch war ich beim Sprechen noch sehr geschwächt.

Das hat sich aber alles nach und nach normalisiert und geblieben ist, dass ich nun jeden Tag eine Stunde in der Natur spazieren gehe und hier auch durchaus Atemübungen mache, oder mit dem Fahrrad eine Stunde unterwegs bin. Auch versuche ich mich am Bergauf gehen, um den Atem zu trainieren.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich aufgrund der Schwächung meines Körpers und der Symptome doch den Verdacht geschöpft habe, dass das nicht ausschließlich eine Exazerbation gewesen sein kann und habe deshalb zusammen mit meiner Mutter vor einer Woche einen Antikörpertest durchführen lassen. Dieser war in beiden Fällen positiv. Im Nachhinein denke ich, dass es für mich im Moment großer Atemnot ein Glück war, nicht konkret zu wissen, ob es Corona ist. Ich wäre sonst in Panik verfallen, was die Sache mit Sicherheit verschlimmert hätte. Ich habe mir allerdings hoffentlich unnötig Gedanken und Ängste gemacht über den künftigen Verlauf meiner COPD. Ich werde allerdings weiterhin die Hygieneregeln einhalten, denn ob die nun für kurze Zeit erlangte Immunität sich auch auf mutierte Viren erstreckt, ist ja noch nicht nachgewiesen. Außerdem kann man selbst auch noch Viren weitergeben. Inzwischen haben meine 90-jährige Mutter und ich unsere Kräfte wiedererlangt und ich habe einmal mehr einen schwierigen Zustand überwunden, das Pulsoximeter zeigt wieder 90-95 % Sauerstoff an. Darauf bin ich sehr stolz und freue mich auch, dass meine Mutter wieder fit ist. Wir sind beide mit einem blauen Auge davongekommen. Gott sei Dank.

Frische Luft, Bewegung und auch kleine Überanstrengungen sind nur gut für Körper und Psyche und fördern sowohl die Widerstandskraft als auch die Willenskraft, sich die Gesundheit zu erhalten. Damit der Zustand eben nicht schlechter wird, als er oft schon ist.

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