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Leberbeteiligung bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Erste Therapie-Option in Sicht

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Pavel Strnad und Mitarbeiter seines Teams: Moritz Kleinjans, Barbara Burbaum, Samira Amzou

Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel kann viele Organsysteme betreffen, allen voran die Leber und die Lunge. Für die Lungenbeteiligung stellt die Augmentationstherapie eine bewährte Behandlungsoption dar, weil die Lunge primär an dem Mangel des Proteins Schaden nimmt. Die Leber wird durch den Überschuss des falsch gefalteten Alpha1-Antitrypsins beeinträchtigt. Bisher gab es hierfür keine Therapien, abgesehen von einer Lebertransplantation als Ultima Ratio.

Durch den medizinisch-biologischen Fortschritt der letzten Jahre wurden mehrere Therapiekonzepte entwickelt, um den Überschuss an falsch gefaltetem AAT in der Leber zu korrigieren. Zum einen lässt sich die Ausschleusung des veränderten Proteins aus der Leber fördern, zum anderen kann man die Produktion des potenziell schädlichen Proteins unterbinden. Während es zu dem ersten Ansatz bis dato keine humanen Wirksamkeitsbelege gibt, wurden zu dem zweiten vor kurzem vielversprechende Daten veröffentlicht. Dieser Ansatz arbeitet mit einer sogenannten siRNA (small interfering RNA, engl. für kleine eingreifende RNA) und verändert somit nicht die menschliche Erbinformation, auch DNA genannt, sondern wirkt eine Ebene darunter. In der Herstellung eines Proteins werden mehrere Arbeitsschritte durchlaufen. Einer davon ist die Herstellung einer RNA, die die Arbeitskopie der DNA darstellt und direkt zur Proteinherstellung verwendet wird. Mit der siRNA kann das Ablesen von einer spezifischen RNA verhindert werden: siRNA-Therapeutika gelten daher als neue Geheimwaffe im Kampf gegen genetisch bedingte Erkrankungen. Das erste siRNA-basierte Medikament wurde im Jahr 2018 zugelassen, ein weiteres Therapeutikum folgte dieses Jahr. Bei dem ersten wird die Produktion eines mutierten Proteins namens Transthyretin in der Leber unterbunden, die ansonsten zur angeborenen Transthyretin-Amyloidose führt, bei dem zweiten wird eine Enzymproduktion unterdrückt, die zur akuten hepatischen Porphyrie führt. In beiden Fällen wird die siRNA vorwiegend in die Leberzellen aufgenommen.

Seit Sommer 2019 laufen bei der Firma Arrowhead zwei vergleichbare Studien, die die Nützlichkeit der Alpha-1-Antitrypsin-spezifischen siRNA bei Patienten mit einer Leberbeteiligung und einem schweren Alpha-1-Antitrypsin-Mangel untersuchen. Momentan werden ausschließlich Pi*ZZ-Probanden ohne eine höhergradige Lungenbeteiligung in die Studie eingeschlossen, kränkere Patienten sollen zu einem späteren Zeitpunkt untersucht werden. Die ersten Daten aus diesen Studien wurden vor kurzem im Rahmen einer Pressemitteilung veröffentlicht. Die vier beschriebenen Patienten, die die Studie bereits abgeschlossen haben, wurden alle an der Uniklinik Aachen behandelt. Die Rekrutierung erfolgte in einer engen Zusammenarbeit mit Alpha1-Deutschland sowie Alpha-1 Plus Belgium. Das Prüfpräparat wurde subkutan verabreicht, also direkt unter die Haut wie bei einer Impfung oder Thrombose-Spritze. Den Patienten wurden drei Dosen im Abstand von vier und zwölf Wochen zugeführt. Zu Beginn der Studie sowie 24 Wochen nach Therapiestart wurde eine Leberbiopsie durchgeführt, zudem fanden regelmäßige Blutkontrollen statt. Nach 24 Wochen konnte bei den Probanden die Menge des Alpha-1-Antitrypsins sowohl im Serum (um bis zu 93%) als auch in der Leber (um bis zu 95%) reduziert werden. In drei von vier Patienten wurde auch die Menge des bereits verketteten (polymerisierten) Alpha-1-Antitrypsins in der Leber reduziert, die maximale Reduktion belief sich auf 97%. Alle Probanden wiesen einen Rückgang der etablierten Leberschädigungsmarker ALT und GGT auf. Bei allen Studienteilnehmern reduzierte sich die Lebersteifigkeit, die zur nicht-invasiven Bestimmung der Lebervernarbung herangezogen wird. Es wurden keine relevanten Lungen-Nebenwirkungen berichtet und alle Patienten entschieden sich nach Abschluss der eigentlichen 24-wöchigen Studie für die angebotene Verlängerung der Therapie. Obwohl es sich um sehr frühe klinische Daten handelt, wird bereits über die Weiterentwicklung und Vermarktung des Produktes nachgedacht.

Nach all den Jahren gibt es jetzt endlich einen Hoffnungsschimmer für die Patienten, die unter einer Leberbeteiligung bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel leiden.

Univ.-Prof. Pavel Strnad

Univ.-Prof. Pavel Strnad, Leiter der Studie, möchte sich mit diesem Schreiben noch einmal bei allen Beteiligten sowie bei den involvierten Patientenorganisationen für die großartige Zusammenarbeit bedanken. Nach all den Jahren gibt es jetzt endlich einen Hoffnungsschimmer für die Patienten, die unter einer Leberbeteiligung bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel leiden. Deshalb möchten sein Team und er gerne weiteren Menschen mit schweren AATM diese Behandlungsoption ermöglichen. Bei Interesse können Sie sich bei der bekannten Telefon-Hotline (0241-8036606) melden, um weitere Informationen zu erhalten. Dies gilt insbesondere für Probanden mit rezidivierend erhöhten Leberwerten sowie einer vorbekannten Leberfibrose. Patienten mit Leberzirrhose, im Alter ≥65 Jahre sowie mit einer signifikanten Lungenbeteiligung (FEV1≤65%) können an dieser Studie aktuell leider nicht teilnehmen.

Obwohl die bisherigen Ergebnisse unsere Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen haben, ist weiterhin Vorsicht geboten. Bis jetzt gibt es nur die Daten aus der ersten Versuchsgruppe, die die Studie bereits abgeschlossen hat. Hier wurden vier Probanden sechs Monate lang behandelt. Es ist zwar schön zu sehen, dass es in dieser Zeit zu keinen messbaren Verschlechterungen der Lungenfunktion gekommen ist, langfristige Auswirkungen der Therapie auf die Lunge sind aber weiterhin unbekannt. Daher sollten zum jetzigen Zeitpunkt nur die Probanden an der Studie teilnehmen, bei denen die Leberbeteiligung im Vordergrund steht.

Virtuelles Meeting

In eigener Sache

Liebe Alpha1-Familien,

ganz herzlich laden wir Sie zu unserer Auftaktveranstaltung Virtueller Kinder- und Jugendtag am Samstag, 31.10.2020 ein.

Unsere Referentin: Frau Dr. Eva-Doreen Pfister, Oberärztin an der MH Hannover mit Schwerpunkt Kindergastroenterologie

Ihr Thema: Alpha-1-Antitrypsin-Mangel – Update 2020: Besonderheiten im Kindes- und Jugendalter

Auch das Thema Ernährung wird Bestandteil des Vortrags sein.

Zur offiziellen Einladung

Alltagstipp

Uwe Deter, unser Mitglied, Beirat und SHG Leiter der Gruppe Hamburg, schickte uns den Tipp, mal auf folgende Seite zu schauen:

http://www.patienten-universitaet.de/

Die Seite der Medizinischen Hochschule Hannover hat viele nützliche Informationen – stöbern lohnt sich. In Kürze folgt dann auch die Ankündigung des 2. Alpha1 Patiententages. Zurzeit ist der 1. Dezember 2020 für das Online-Seminar reserviert – mehr Informationen gibt es im nächsten Newsletter oder auf unserer Homepage im Veranstaltungskalender

Haben Sie auch einen Tipp für uns, dann schreiben Sie uns unter: Erfahrungen@alpha1-deutschland.org

Nachtrag

Im Newsletter 7 haben wir über Vorträge auf dem ELF Patiententag berichtet, diese sind nun veröffentlicht.

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