AutorIn
Dr.-Ing. Heinz Stutzenberger, kommissarisches Mitglied im Vorstand von Alpha1 Deutschland e. V.
Prof.Dr. Felix Herth und PD Dr. Franziska Trudzinski: Bildgebende Diagnostik und Therapie Optionen beim fortgeschrittenen Lungenemphysem
Der erste Vortrag beschäftigte sich mit bildgebenden Diagnoseverfahren im Zusammenhang mit dem Alpha1-Antitrypsin-Mangel (AATM) und wurde gehalten von Privatdozentin Dr. Franziska Trudzinski. Insbesondere zum Nachweis akuter Entzündungen hat sich das Röntgen des Thorax (= Brustkorb) bewährt. Dabei wird Röntgenstrahlung durch den Körper geschickt, die sich je nach Dichte der durchschienenen Organe abschwächt, wodurch die durchleuchteten Organe samt ihrer inneren Strukturen dann auf einer Fotoplatte sichtbar und für den Röntgenspezialisten erkennbar werden.
Für die Bewertung der Veränderung der Lungenstruktur im Verlauf einer AATM-Erkrankung ist dieses Verfahren aber zu unscharf und deshalb weniger geeignet. Eine CT (= Computertomographie) ist zwar mit einer um das 500-fache erhöhten Strahlenbelastung verbunden (entsprechend dem fünffachen der pro Jahr aufgenommenen natürlichen Strahlung), bietet aber dafür genauere Einblicke in den Zustand der Lunge und insbesondere der durch AATM bedingten Schädigungen.
Bilder entstehen zunächst nur virtuell im Computer, lassen sich aber natürlich am Bildschirm detailliert betrachten und auch ausdrucken. Durch Anwendung der Niedrigdosis-Dünnschicht-CT, bei der der Körper in Scheiben von 1 mm Schichtdicke abgescannt wird, lässt sich mit Hilfe ausgefeilter Algorithmen die Lungendichte sehr genau bestimmen, deren zeitlicher Verlauf (im Abstand mehrerer Jahre gemessen) eine vergleichsweise sichere Beurteilung der sich typischerweise verschlechternden Lungenfunktion erlaubt. Bei der Anwendung beider genannter Verfahren wählen die Ärzte jeweils die Geräteeinstellungen, mit denen sich ein Maximum an Information bei einem Minimum an Strahlenbelastung erzielen lässt. Mittels QCT (= quantitativer CT) lassen sich Lungenbereiche mit krankhaften Veränderungen, z.B. Lungenemphysemen oder -fissuren, genau lokalisieren, wodurch sich gegebenenfalls notwendige operative Eingriffe treffgenauer durchführen lassen. Ein weiteres bildgebendes Untersuchungsverfahren, das viele Alphas ebenfalls kennen, ist die Sonographie bzw. Elastographie (Fibroscan) der Leber. Die dabei ohne jegliche Strahlung in den Körper gesendeten Schallwellen werden je nach Dichte des getroffenen Organes mehr oder weniger stark reflektiert und erlauben eine Aussage über den Härtegrad der Leber, der sich im Rahmen krankhafter Veränderungen deutlich erhöht. Wie die bildgebenden Verfahren der Lungendiagnostik verwendet werden, um daraus Schlussfolgerungen für etwaige operative Eingriffe zu ziehen, dieses Thema war Gegenstand des anschließenden Vortrags von Prof. Dr. Felix Herth, dem Leiter der Thorax-Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg. Den Schwerpunkt bildeten solche Eingriffe, die angezeigt sind, wenn große Areale der Lungenoberfläche so geschädigt sind, dass sie nicht mehr an einem Gasaustausch teilnehmen können, z.B. durch ein Lungenemphysem. In diesen Fällen muss das Zwerchfell als Antriebselement der Atempumpe sehr viel körperbelastende Pumparbeit verrichten, die aber zu einem nennenswerten Anteil unnütz ist, da viel Luft ohne Gastausch nur ein- und wieder ausgeatmet wird.
Zur Behebung dieser Problematik gibt es verschiedene operative Eingriffsmöglichkeiten, alle mit dem Ziel, die nicht mehr gasaustauschenden Areale der Lunge zu verkleinern: entweder wird der geschädigte Teil der Lunge chirurgisch entfernt oder zwischen dem gesunden und dem erkrankten Teil der Lunge werden Einweg-Ventile eingesetzt, durch die sich das Volumen des geschädigten Teils der Lunge beim Atmen schnell reduziert; dieser Effekt der Volumenreduktion lässt sich auch erzielen durch den Einsatz kleiner Spiralen (Coils) aus Memory-Metall, die sich nach dem Einsetzen in Form kleiner Stäbchen in den geschädigten Teil der Lunge infolge ihres „Gedächtnis“-Effektes später spiralförmig zusammenziehen und dadurch das erkrankte Gewebe raffen.
Eine weitere Methode zur Entfernung krankhaften Lungengewebes ist die Vaporisierung desselben, also die „Verbrennung“ des Gewebes durch lokal eingebrachten heißen Wasserdampf, wodurch dieses vernarbt und dann allmählich schrumpft. Ob eine und ggf. welche der genannten Methoden für einen Patienten geeignet ist, muss sehr individuell mittels einer Fülle vorhergehender Untersuchungen bewertet werden, u.a. anhand des per CT ermittelten Zustands der Lunge. Im Hinblick auf die Komplexität der zu beachtenden Aspekte inkl. eventueller Nebenwirkungen muss jedem Eingriff ein intensives Gespräch zwischen Arzt und Patient vorangehen; sowieso haben Prof. Herth und Dr. Trudzinski wiederholt die Zuhörer ermuntert, sich alle vorgeschlagenen medizinischen Maßnahmen vom betreuenden Arzt gut erläutern zu lassen und ggf. auch zu hinterfragen, ganz im Sinne eines vertieften Verständnisses für die eigene Krankheit, dessen Bedeutung auch Frau Wilkens in ihrem späteren Vortrag betonte.
Die Thoraxklinik in Heidelberg
Copyright: Universitätsklinikum Heidelberg
PD Dr. Dieter Kaufmann: Genetische Therapie, Ansätze und gegenwärtige Möglichkeiten
Anschließend trug Privatdozent Dr. Dieter Kaufmann zu genetischen Aspekten des AATMs vor, der hervorgerufen wird durch Mutationen auf einem bestimmten Gen der menschlichen Erbsubstanz und zu einer Veränderung des aus 400 Aminosäuren bestehenden Alpha1-Antitrypsin-Moleküls führt, dahingehend, dass sich seine Wirkung verringert und es durch Polymerisation, also einen Verklumpungsvorgang, nicht mehr in ausreichender Menge von der Leber ins Blut gelangen kann, um die Lunge zu schützen.
Genmutationen finden permanent in den menschlichen Zellen statt, im Kindesalter weniger, mit zunehmendem Alter immer mehr; die meisten davon geschehen unbemerkt, andere sind für den natürlichen Alterungsprozess ursächlich, und wieder andere können zu verstärktem Zellwachstum in Form von Krebs führen. Im Bezug auf AATM sind Mutationen auf dem im Chromosom14 angeordneten Serpina1-Gen wichtig, die hauptsächlich als die Allele (= Gen-Varianten) S und Z in Erscheinung treten und insbesondere dann den AAT-Serumspiegel reduzieren, wenn sie in Kombination oder gar als ZZ-Variante vorliegen. Die dafür notwendigen Vererbungskonstellationen entsprechen den Regeln der Mendel’schen Vererbungslehre, die ausführlich erläutert wurden.
Unklar ist noch immer, weshalb sich die Mutationen, die zu AATM führen, bis heute durch Vererbung erhalten haben, worin also ihr evolutionärer Vorteil liegt, ohne den der AATM früh nach seiner Entstehung hätte wieder aussterben müssen. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass der AATM nahezu ausschließlich in den Teilen der Weltbevölkerung auftritt, in denen sich auch andere Mutationen zeigen, wie z.B. helle Hautfarbe, helle Haare und auch Laktosetoleranz (also die Verträglichkeit von Kuhmilch).
Aus Zeitgründen konnten die Therapieansätze, die die Genetik zukünftig vielleicht zur Milderung oder gar Heilung des AATMs bereithält, nicht behandelt werden. Dafür wird es aber noch weitere Gelegenheiten geben, da diese Ansätze in absehbarer Zeit noch nicht in breiter Front zur Anwendung kommen werden.
Marion Wilkens: Wünsche und Realität – Was können wir Patienten wirklich beeinflussen
Den letzten Vortrag des Tages hielt Marion Wilkens, die Vorsitzende unseres Vereins, zu der Frage, was AATM-Patienten sich im Zusammenhang mit ihrer Krankheit wünschen und was sie selbst tun können. Zunächst ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass AATM nicht nur Lunge und Leber schädigen kann, zu deren Schutz ein Verzicht auf Rauchen und exzessiven Alkoholkonsum unerlässlich ist. Auch Haut, Nieren, Herz, Gefäße und Verdauungstrakt können betroffen sein und erfordern eine pflegliche Behandlung und einen gesundheitsbewussten Lebensstil.
Nicht zuletzt muss die Psyche davor geschützt werden, durch die Diagnose und mögliche Krankheitsbegleiterscheinungen in eine Abwärtsspirale zu gelangen, aus der sich Betroffene ggf. nur mit professioneller Hilfe wieder befreien können. Dabei hilft es, sich Klarheit über den AATM an sich und das Maß der persönlichen Betroffenheit zu verschaffen, einerseits durch Beschaffung objektiver Informationen z.B. über all die Kanäle, die unser Verein anbietet, andererseits durch Sammlung und Hinterfragung der Arzt- und Laborbefunde, die im Laufe der Zeit anfallen. Hier wurde u.a. verwiesen auf den Alpha1-Patiententag am 24.06.23 in Stuttgart, wo Dr. Alexander Rupp (der Leiter des Alpha1-Centers Stuttgart) die Bedeutung der für uns relevanten Laborwerte erklären wird.
Um die genannten Informationsquellen mit dem aktuellen relevanten Wissen auffüllen zu können, ist es hilfreich, sich mit anderen Organisationen zu vernetzen, die ihrerseits dieses Wissen erarbeiten oder zumindest weiterverteilen. Die Bündelung unserer Interessen mit anderen vergleichbaren Betroffenen bzw. deren Organisationen stärkt auch unsere Position bei Entscheidungsträgern in Politik, Gesundheitsbehörden und -institutionen und Arzneimittelherstellern. Letztere zu unterstützen, z.B. durch Teilnahme an Studien oder dadurch, dass Alphas ihre Daten für Register als Basis für statistische Auswertungen zur Verfügung stellen, liegt natürlich in unserem ureigensten Interesse. All diese Schritte werden uns helfen, die bereits vorhandenen Therapiemöglichkeiten in optimal angepasster Weise zu bekommen, sie weiter zu verbessern und eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages auch eine Heilung des AATM zu finden.
Zum Abschluss des offiziellen Teils der Veranstaltung bot Dr. Oswinde Bock-Hensley eine Führung durch das im Veranstaltungsgebäude gelegene Tuberkulose-Museum an. Neben den detaillierten Erläuterungen zum Krankheitsbild beeindruckte die spektakuläre Sammlung historischer Medizinapparate (hier ganz besonders die alten Röntgengeräte) und der pathologisch-anatomischen Präparate, bei deren Anblick manchem ein leichter Schauer über den Rücken lief. Die Bedeutung der Tuberkulose, die schon an 6.000 Jahre alten Skelettfunden nachgewiesen werden konnte, ließ sich für frühere Generationen an einer langen Liste berühmter Persönlichkeiten ablesen, die daran gestorben sind, beginnend bei den Pharaonen bis hinein in die Neuzeit, wo diese dann glücklicherweise in unseren Breiten weitestgehend eingedämmt werden konnte.
Neben der offiziellen Tagesordnung gab es Gelegenheit zum Austausch untereinander und mit Vertretern der Sponsoren CSL Behring und Grifols während der Pausen und beim abschließenden Mittagsimbiss. Mutige Teilnehmer konnten dabei auch versuchen, an einem künstlichen Arm einen Venenzugang zu legen, wie er zur Selbstverabreichung von Substitutionspräparaten notwendig ist.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass der 2. Alpha1-Patiententag eine rundum gelungene Veranstaltung war, deren Reihe fortgesetzt werden sollte. Den Dank an alle Referenten für ihre Beiträge, Dr. Trudzinski für die Organisation, allen Mitarbeitern der Klinik, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben, sowie natürlich den Sponsoren, sprach mit Carsten Büch zum Schluss einer der Mitorganisatoren der Veranstaltung aus. Er ist Leiter der SHG Region Rhein-Neckar-Odenwald und war voller Freude über die rege Beteiligung an der Veranstaltung.