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Heinz Stutzenberger, 2. Vorsitzender Alpha1 Deutschland e.V., so erschienen im Alpha1-Journal 2/2022.

Vor Jahren noch war es eher dem Zufall überlassen, ob und wo sich die Vertreter der europäischen Alpha1-Patientenvereine über den Weg laufen: mal auf einer Veranstaltung einer großen Patientenvereinigung, mal auf einer Weiterbildung einer Pharma-Firma oder ggf. auch bei einer Großveranstaltung der amerikanischen Alpha1 Foundation bzw. der ihr zugeordneten Alpha1-Global Organisation. Bereits bei diesen mehr zufälligen Begegnungen zeigte sich, dass alle Seiten von dem dabei praktizierten Informationsaustausch profitierten, der sich meist um nationale Aktionen, neue Erkenntnisse im Bezug auf den Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und geplante nationale Veranstaltungen drehte.

Da war es nur ein logischer Schritt, diesen Meinungsaustausch auf eine geregelte Basis zu stellen, und zwar in der Form von monatlichen Treffen der Leitungskreise. Der Startschuss dazu fiel Anfang 2021, also zu Hochzeiten der Corona-Pandemie, weshalb diese Treffen seit Anfang bis heute virtuell durchgeführt werden. Im Lauf der Zeit gesellten sich immer mehr Landesverbände dazu, und am Ende waren folgende Länder vertreten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz und Spanien.

 

Damit war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Vorschlag im Raum stand, sich doch ganz offiziell auf europäischer Ebene zu organisieren.

Spätestens hier wird bei Lesern, die unserem Verein schon länger angehören, der Gedanke aufkeimen, „das gab es doch schon einmal“, und diese Leser liegen richtig: bereits 2006 hatte sich Alfa Europe konstituiert. Es folgten etwa sechs Jahre intensiver Verbandsarbeit, an die sich dann eine Phase abnehmender Aktivitäten anschloss, bis Alfa Europe in der Bedeutungslosigkeit versank und sich auflöste. Diese Gefahr droht latent ja jedem Verein, dessen Existenz am Engagement meist weniger, dafür aber sehr aktiver Mitglieder hängt; sie lässt sich leider in keinem Fall wirklich ausschließen, und sollte deshalb auch den Gedanken an eine Neugründung nicht blockieren.

Nach dem gemeinsamen Beschluss der nationalen Vereine zur Gründung einer europäischen Allianz etwa Ende 2021 folgten dann schnell konkrete Schritte:

In einem ersten Anlauf fand sich eine Gruppe von sechs Vertretern aus vier Nationen, um die Basis für eine systematische Vorbereitung des Zusammenschlusses zu erarbeiten. Zunächst wurde Kontakt zu bereits bestehenden EU-Patientenorganisationen aufgenommen, um von diesen zu lernen, welche Formen der Vereinigung seit Jahren erfolgreich bestehen und arbeiten, und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Auch Gespräche mit den für uns relevanten Pharma-Unternehmen wurden geführt, um sicherzustellen, dass sie einer europäischen Allianz positiv gegenüberstehen, was in diesen Gesprächen erwartungsgemäß bestätigt wurde.

Parallel dazu wurden die Landesvereine darüber befragt, welche Vorteile sie sich von einem Zusammenschluss versprechen, bzw. welche Leistungen dieser erbringen sollte. Aufgrund der großen Unterschiede, z.B. im Organisationsgrad der Landesverbände, aber auch in der Zahl der darin organisierten Mitglieder, umfassten die Antworten ein breites Spektrum verschiedener Anliegen:

  • als allgemein befürwortetes, übergeordnetes Ziel fand eine gute, Europaweit flächendeckende Versorgung mit Substitutionsprodukten und -dienstleistungen die größte Zustimmung
  • bei den kleineren Ländern überwog dann der Wunsch nach leichterem und systematischem Zugang zu Informationen über alle Aspekte von AATM, aber auch nach Unterstützung beim Auf- bzw. Ausbau der landeseigenen Vereine
  • die großen Organisationen erwarteten vom Zusammenschluss eine erhöhte Schlagkraft auf der politischen EU-Ebene, aber auch eine verbesserte Wahrnehmung und größeren Einfluss bei Pharma-Firmen und Arzneimittelbehörden, und letztlich einer Kommunikation auch mit der großen US-Schwester-Organisation Alpha1 Foundation auf Augenhöhe.

In einer weiteren Umfrage sprachen sich dann 77% der Teilnehmer für die Gründung einer europäischen Alpha1-Allianz aus und stellten ihren Beitritt zu dieser Organisation in Aussicht.

Die Bereitschaft zur Mitarbeit in den vorbereitenden Gremien war dann mit 59% schon etwas geringer. Neben der Sprachbarriere waren insbesondere die hohe persönliche Belastung durch Beruf, Familie und gesundheitliche Probleme Gründe für diese Zurückhaltung. Besonders bei den kleinen Ländern war dies erkennbar, wo sich die Grundlagenarbeit auf wenige aktive Vereinsmitglieder konzentriert.

Im Folgenden fand sich nun eine größere länderübergreifende Gruppe, um die nächsten Schritte zur Einrichtung einer Allianz festzulegen. Dazu wurden notwendige Aufgaben bzw. Arbeitspakete identifiziert, unter übergeordneten Gesichtspunkten zusammengefasst und vier Arbeitsgruppen zugeordnet:

  • AG1: Strategie und Ziele
  • AG2: Arbeitsstruktur und -abläufe der neuen Organisation
  • AG3: Organisation, Statut, Geschäftsordnungen
  • AG4: Rechtsfragen, Registrierung, Verträge

Es haben sich genügend Mitarbeitende für alle Arbeitsgruppen gefunden, so dass diese bald ihre Arbeit aufnehmen können. Zuvor ist allerdings noch die Bestellung eines Projektleiters notwendig, der die geleistete Vorarbeit bei Bedarf noch konzeptionell weiterentwickelt, die Arbeit der Arbeitsgruppen feinjustiert, unterstützt und koordiniert, und den Fortschritt gegenüber dem Steuergremium verantwortet und regelmäßig präsentiert. Dieser muss auch die Kontakte zu Rechtsberatern aufbauen und pflegen, ohne deren Expertise die anstehenden Vertragsfragen wohl nicht professionell geklärt werden können. Die derzeitige Hoffnung ist, dass Anwälte gefunden werden, die „pro bono“ (= zum Wohle (des Gemeinwesens) = honorarfreie rechtliche Beratung) einen Großteil der Aufgaben bearbeiten werden, ansonsten muss sonst zügig professionelle Rechtsberatung gegen Honorar eingekauft werden.

Anfang November soll die Arbeit der Gruppen und des Projektleiters nun losgehen. Sechs bis sieben Monate sind für die Abarbeitung der Aufgabenpakete und die Erstellung der notwendigen Unterlagen und Dokumente vorgesehen, so dass – wenn alles gut läuft – die Allianz im Frühsommer 2023 gegründet werden kann. Kurz- und mittelfristig ist unser Ziel, dass sie von einem hauptamtlich bestellten Geschäftsführer geleitet wird, der u.a. auch dafür Sorge trägt, dass sich die Organisation nach einer Anschubfinanzierung durch die Gründungsmitglieder möglichst bald aus eigener finanzieller Kraft trägt. Die Allianz soll so geformt sein, dass sie je nach Entwicklung der Mitgliederzahl an Ländern immer weiter ausgebaut werden kann. Um das Beitrittsinteresse unentschlossener Kandidaten zu stärken, werden bereits unmittelbar nach Gründung einige wenige Projekte auf die Schiene gesetzt, von denen zumindest eines bereits nach kurzer Zeit einen erkennbaren Nutzen für die Mitglieder der Allianz und die dort vertretenen Patienten bringen soll.

Transparenz ist dabei eine Eigenschaft, der sowohl bei den vorbereitenden Tätigkeiten als auch später in der Verbandsarbeit ein großer Wert beigemessen wird. Das ist auch einer der Gründe, warum wir mit diesem Artikel unsere Mitglieder von Alpha1 Deutschland bereits frühzeitig informieren. Ende September 2022 haben wir auch unsere amerikanischen Ansprechpartner bei der Alpha1 Foundation über den Stand unserer Planungen und Aktivitäten informiert, wobei beide Seiten die Aussicht auf eine konstruktive Zusammenarbeit bekräftigt haben. Kurze Statusberichte an die uns unterstützenden Pharmafirmen sind wie üblich vorgesehen.

Worin liegt der Vorteil einer europäischen Allianz nun für uns Patienten in Deutschland? Wir haben eine seltene Erkrankung, je mehr wir sind, desto stärker können wir unsere Forderungen an die Politik, an die Pharmaindustrie und auch an die Forschung vertreten. Wissensaustausch, länderübergreifende Forschung (wie man insbesondere bei Covid-19 gesehen hat) und ein professionelles Auftreten in Europa kann uns dem Ziel der bestmöglichen Behandlung näherbringen und letztlich bei der Suche nach einer Heilung helfen.

Zum Abschluss möchten wir uns noch in eigener Sache an unsere Leserschaft wenden: wie oben betont wurde, fallen viele juristische Fragen an, zu deren Klärung den bislang Aktiven die notwendige Expertise fehlt. Wenn es unter Ihnen, liebe Leser, oder in Ihrem Bekanntenkreis Juristen (vorzugsweise mit englischen Sprachkenntnissen) gibt, die uns unentgeltlich unterstützen können, zögern Sie bitte nicht, sondern nehmen Sie umgehend Kontakt mit Frau Wilkens auf, die dann sehr schnell eine Verbindung zu geeigneten Ansprechpartnern in den Arbeitsgruppen herstellen wird. Vielen Dank.

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