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Frischer Wind im Beirat

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Linda Tietz, so erschienen im Alpha1-Journal 1-2019.

Ein Interview von Linda Tietz mit unserem neuen Beiratsmitglied Alexander Niepel

Linda Tietz: Hallo Alexander! Bevor wir loslegen, möchte ich dir sagen, dass es schön ist, dass du interimsweise in den Beirat von Alpha1 Deutschland berufen wurdest. Mit welchen Aufgaben bist du im Rahmen der Vereinsarbeit betraut?

Alexander Niepel: Vielen Dank, Linda. Die neue Aufgabe ist mir sehr wichtig und ich bin sehr angetan, dass der Vorstand mir hierzu das Vertrauen ausgesprochen hat. Die Rückmeldungen aus meiner Selbsthilfegruppe sind sehr positiv und meine Familie ist auch sehr stolz darauf.  Die SHG München, besser Südbayern, ist eine Wiedergründung von mir – auf Basis einer großartigen Vorbereitung und Unterstützung von Marion – aus dem Jahre 2016. Seitdem leite ich die Gruppe gemeinsam mit meiner Frau Irina. In der Gruppe haben wir einen „harten“ Kern von etwa 10 Teilnehmern, die eigentlich immer kommen und das zum Teil mit einer Stunde Anfahrt! Ich denke, dass alle die gemeinsamen Gespräche schätzen. Bislang hatten wir nur einen Gast – eine Heilpraktikerin, die sich auf Grund meines Interviews in der Münchner Abendzeitung gemeldet hat. Das wurde positiv, interessiert angenommen und am Ende haben einige dann doch die Zeit zum Reden vermisst!

Linda: Sind du und deine Familie auch betroffen vom AAT Mangel? Welcher Phänotyp wurde bei dir diagnostiziert?

Alexander: Ich bin ein ZZ-ler und wurde in 2003 zufällig diagnostiziert. Ich hatte wahrscheinlich all die Jahre Gallensteinkoliken, die aber als stressbedingte Magenprobleme verkannt wurden. 2012 bin ich dann ein Notfall (biliäre Pankreatitis) geworden und hatte zwei harte Jahre mit vielen Klinikaufenthalten. Zuerst hat man PSC, eine seltene Lebererkrankung diagnostiziert, unter anderem weil man sich nicht vorstellen konnte, wie Alpha-1 mit meinen Symptomen zusammenhängen könnte.  Meine Lunge hat bislang keine funktionelle Einschränkung, aber ich folge dennoch den Impfempfehlungen wie am Infotag vorgetragen, weil Infekte mich durchaus härter treffen könnten als MM-ler. Seit 2018 werde ich substituiert, was meine Situation deutlich verbessert hat. Das wird jetzt viele verwundern, weil eigentlich immer nur der Einfluss auf die Lunge im Verein besprochen wird, aber genau hier soll ja auch meine neue Aufgabe ansetzen. Im Grunde stellt man sich bei mir vor, dass die zahlreichen Mikrogallensteine (Sludge), die laufend in meiner Leber produziert werden, in den Gallenwegen zu kleinen Entzündungen führen und dann fehlt das Alpha-1, um ein Überschießen der Immunantwort zu verhindern. Mein Großvater ist an einer ebenso überraschenden wie unerklärlichen Leberzirrhose im hohen Alter gestorben; auch er hatte, wie andere Familienmitglieder, regelmäßig unter Gallensteinen zu leiden. Aber insgesamt war der Verlauf dann doch anders als bei mir. Das passt irgendwie zu der Aussage vom letzten Infotag, dass man den Sammelbegriff der COPD aufschlüsseln will, weil sich die Krankheitsverläufe dann doch unterscheiden. Bei der Leber haben wir noch nicht mal einen Sammelbegriff.

Linda: Und wie bist du mit unserer Patienten-organisation erstmals in Berührung gekommen?

Alexander: Das war 2015/16. Die PSC Diagnose hat aus meiner Sicht nicht gepasst. Gut ging es mir sowieso nicht. Ich habe einfach einen neuen Ansatz gebraucht. Ich habe dann bei Marion angerufen und bin dann schlussendlich in  Aachen gelandet. Das war ein riesen Fortschritt für mich! Dr. Hamesch und Dr. Strnad waren ein echter Glücksgriff. Im Gegenzug habe ich Marion meine Unterstützung im Verein angeboten, ohne wirklich zu wissen, was das bedeutet. Aber auch das war ein Glücksgriff, denn die SHG hat insbesondere meiner Frau geholfen, die hier eine bitter vermisste Zuversicht wiedergewonnen hat.

Linda: Wie sieht dein Leben außerhalb von Alpha1 aus? Bist du sportlich aktiv? Reist du auch gerne? Lässt sich das denn immer gut mit dem AAT-Mangel vereinbaren?

Alexander: Ich bin in der Telekommunikationsbranche als Produktmanager tätig. Das kann schon durchaus fordernd werden. Aber seit ich substituiert werde, kann ich da auch wieder (fast) wie früher Einsatz zeigen. Als geborener Erlanger fahre ich auch in München immer bei Wind und Wetter mit dem Rad in die Arbeit. Aber so richtig Sport mache ich erst seit 2017, weil ich durch all die Krankheitsepisoden viel Muskulatur verloren habe. Jetzt bin ich in guten Wochen vier Mal im Fitnessstudio und muss sagen, mir gefällt das sehr gut. Der Sport und das soziale Umfeld dort stärken mich. Und das sonntägliche Yoga ist mir inzwischen ein wertvoller Ruhepunkt der Woche geworden. Reisen war schon immer mein Ding, auch und insbesondere, seit sich Alpha-1 bei mir manifestiert. 2013 hat mir ein Klinikarzt geraten, die nächsten fünf Jahre zu nutzen. Das war eine harte Ansage – die sich schlussendlich nicht bewahrheitet hat – aber wir haben das als Familie positiv umgesetzt und sind über Australien und China einmal um die Welt gereist, mit vielen „Zwischenstopps“ wie Island, Israel und Georgien. Die Fotokamera kommt immer mit; das Fotografieren habe ich auch erst ab 2013 begonnen, als Hobby und Ausgleich.  Ich nehme auf meine Reisen Notfallmedikamente mit (Schmerzmittel, Antibiotika), aber bemerkenswerterweise passierte bislang nichts. Die Substitution bekomme ich erst seit 12 Monaten und muss sie dann eben für die Reisen mit Doppelgaben anpassen.

Linda: Was hat dir an unserem letzten Infotag besonders gut gefallen?

Alexander: Das war einer der besten Infotage. Alle Vorträge waren auf einem hohen Niveau, nicht nur inhaltlich, sondern auch präsentationstechnisch. Insbesondere Prof. Welte hat mich sehr beeindruckt. Das Seitengespräch mit Prof. Janciauskiene war auch sehr lehrreich. Ja, und dann natürlich die Möglichkeit, viele bekannte Gesichter wiederzusehen und Gespräche zu führen.

Linda: Verrätst du uns zum Abschluss unseres Gespräches noch, welche Ziele und Vorstellungen du mit deiner Tätigkeit bei Alpha1 Deutschland hast?

Alexander: Als Leberbeirat bin ich Ansprechpartner für alle Mitglieder, ob Betroffene oder Angehörige, zu Leberfragen, oder sagen wir allgemeiner, zu gastroenterologischen Fragen, weil sich das nicht immer auf den ersten Blick so klar abgrenzen lässt. Hierzu würde ich gerne eine Art virtuelle Leber-SHG gründen, in der wir uns mit Hilfe von Mail/Chat/Telefon austauschen und vielleicht auch einmal im Jahr auf einem Leberinfotag treffen. Auch will ich über die Zeit das Wissen über die Leber im Verein verbreiten. Eine Vernetzung außerhalb des Vereins erscheint mir notwendig, denn die Frage „Kennst du einen guten Leberarzt?“ kann ich momentan nur mit Verweis auf Aachen beantworten, aber Aachen ist nicht überall. Natürlich bin ich sehr offen für Meldungen aus dem Verein, was gebraucht wird! Schlussendlich soll mein Wirken keinem Programm folgen, sondern den Bedürfnissen. Gerade jetzt würde mich sehr freuen, wenn sich Leberbetroffene bei mir melden, damit wir uns innerhalb des Vereins vernetzen können. Da wir aber absehbar nur eine kleine Gruppe bleiben werden (ca. 10-40% der Alphas sind an der Leber betroffen), werde ich auch die Vereine in Österreich und der Schweiz ansprechen, ob wir zur Leber etwas gemeinsam aufbauen wollen. Für alle Fragen und Anregungen bin ich immer montags ab 16 Uhr telefonisch unter der Mobilnummer 0175 9943115 erreichbar. Mails sind natürlich auch immer willkommen: alexander.niepel@alpha1-deutschland.org.

Linda: Vielen Dank für das interessante Gespräch und deinen absolut bereichernden Einsatz für unseren Verein!

Linda Tietz, so erschienen im Alpha1-Journal 1-2019.

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