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Michaela Frisch, Beirätin Lungensport, Training, Aktivität, Mobilität, Stellv. Vorsitzende AG Lungensport.
So erschienen im Alpha1-Journal 1/2022.

Rückblick

Lungensport ist eine der wichtigsten Therapie-Optionen der nichtmedikamentösen Behandlung von Patienten mit einer Lungenerkrankung, in diesem Fall: Alpha1-Antitrypsin-Mangel mit reduzierter Belastbarkeit, diagnostizierter COPD, Atemnot usw.

Das speziell auf die unterschiedliche Belastbarkeit und Komorbiditäten (wie Metabolisches Syndrom, Diabetes, Osteoporose, psychische Erkrankungen, Depression, Herzerkrankungen, pulmonale Hypertonie usw.) ausgerichtete und speziell dosierte Training (Muskelaufbau-, Ausdauer- und Alltagstraining) stellt eine Anleitung zur lebensbegleitenden Therapie und Steigerung der Aktivität bei Lungenpatienten dar.

Einbezogen werden dabei verwendete Hilfsmittel wie Sauerstoffgerät, Rollator, Trolley u. ä. und es wird auf jeden Teilnehmer im Einzelnen geschaut unter Berücksichtigung des persönlichen Krankheitsbildes. Entsprechend geschulte Übungsleiter holen alle Teilnehmer beim Training im Rahmen ihrer individuellen Leistungsfähigkeit ab, um sowohl Unterforderung und daraus resultierender Lustlosigkeit als auch Überforderung / Überlastung (bis hin zu Atemnotsanfällen) und daraus resultierender Angst vor Belastung entgegenzuwirken.

Einbezogen werden dabei verwendete Hilfsmittel wie Sauerstoffgerät, Rollator, Trolley u. ä. und es wird auf jeden Teilnehmer im Einzelnen geschaut unter Berücksichtigung des persönlichen Krankheitsbildes. Entsprechend geschulte Übungsleiter holen alle Teilnehmer beim Training im Rahmen ihrer individuellen Leistungsfähigkeit ab, um sowohl Unterforderung und daraus resultierender Lustlosigkeit als auch Überforderung / Überlastung (bis hin zu Atemnotsanfällen) und daraus resultierender Angst vor Belastung entgegenzuwirken.

Ziel ist es, dass alle unterschiedlichen Patientengruppen durch ihre Teilnahme am Lungensport sowohl für ihre körperliche Leistungsfähigkeit als auch ihre Bewältigung der Alltagsbelastungen profitieren und somit ihre Krankheit selbstständig managen können. Die Selbstständigkeit im Alltag, das Selbstwertgefühl des Betroffenen und die Mobilität werden hierdurch gefördert. Allerdings gilt es zu beachten: Lungensport ist kein Leistungssport, sondern ein spezielles, dosiertes und angepasstes Training für Patienten mit einer Lungenproblematik bis hin zu einer Lungenerkrankung.

Lungensport kann – nach wie vor – sowohl vom behandelnden Hausarzt als auch vom behandelnden niedergelassenen Pneumologen verordnet werden. Auch bei der Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme in einer Rehabilitations-Fachklinik kann Lungensport über den Kostenträger Deutsche Rentenversicherung Bund oder Land verordnet werden – in diesem Fall für sechs Monate.

Lungensport darf nur von entsprechend geschulten Übungsleitern mit den erforderlichen Weiterbildungen und den vorgeschriebenen Lizenzverlängerungskursen (alle zwei oder vier Jahre je nach Bundesland) durchgeführt werden. Der abrechnende Sportverein als Leistungserbringer muss Mitglied im Behindertensportverein des jeweiligen Bundeslandes sein.

Eine Mitgliedschaft im Sportverein kann aufgrund der Nachhaltigkeit (Weiterführung der Therapie auch ohne ärztliche Verordnung oder genehmigter Verordnung durch die Krankenkasse) angestrebt werden, ist aber für die Teilnahme am Lungensport nicht vorgeschrieben – auch nicht aus versicherungsrechtlichen Gründen. Denn die Teilnahme am Lungensport ist aufgrund der ärztlichen Verordnung mittels Formular 56 bzw. G 850 abgedeckt. Anders sieht es aus, wenn man bereits Mitglied im Verein ist oder weitere Angebote des Vereins nutzen möchte In diesen Fällen sollte der Mitgliedschaft auch nichts im Wege stehen.

Eine Lungensporteinheit dauert im Regelfall zwischen 60 und 90 Minuten und findet einmal in der Woche statt. Je nach Verordnung und Anzahl der Gruppen bzw. der Trainingsstunden ist auch eine Teilnahme mehrmals die Woche möglich – laut vorheriger Absprache mit der Krankenkasse, der Verordnung des Arztes und der durchführenden Institution.

Lungensport ist aber definitiv viel mehr als das süddeutsche ‚Schnaufen‘ und hochdeutsche ‚Atmen‘, es beinhaltet so viel mehr:

Bereich Atmung

  • Bewusstmachung und Wahrnehmung der Atmung
  • Erlernen / Schulung der Lippenbremse (wichtigste Selbsthilfetechnik)
  • atemerleichternde Körperpositionen (richtiges Stützen wird oft vergessen!)
  • Ökonomisierung der Atemarbeit vor allem unter Alltagsbelastungen (Reduzierung des Atemhilfsmuskeleinsatzes und Vertiefung der Atmung)
  • die verschiedenen Atemformen (Bauchatmung, Brust­korb­atmung, Nierenatmung, Flankenatmung)
  • Bewusstmachung des Atemweges
  • Steigerung der Thorax- und Schulterbeweglichkeit
  • Verbesserung der Atemmuskelkraft und Mobilisation des Zwerchfells
  • Reduzierung der Belastungsdyspnoe bzw. der Angst vor der Atemnot unter Belastung
  • Erlernen von hilfreichen und alltagstauglichen Entspannungstechniken

Bereich Training:

  • Erhalt und Training der Ausdauerleistung
  • allgemeiner Muskelaufbau
  • Steigerung der physischen Belastbarkeit
  • Wahrnehmung und Verschiebbarkeit der Leistungsgrenzen
  • Dehnung der Muskulatur
  • Vermeidung von Schonverhalten und Gelenkversteifungen,
  • Koordinationstraining, Osteoporoseprophylaxe, Polineuropathie-Training

Bereich Schulung:

  • Sekretmobilisation
  • Hustentechniken und Hustendisziplin
  • Nasenhygiene
  • Notfallverhalten, auch vom Partner (oder auch: wie erkläre ich z. B. meinem Enkelkind, wenn ich an der Treppe Probleme bekomme)
  • Hilfsmittelschulung (Rollator, Trolley, Flutter, Cornet, Acapella, Shaker etc.)
  • Wissensvermittlung zur Krankheit und zum Krankheitsmanagement
  • Hygieneschulung in Bezug z. B. auf Sauerstofflangzeittherapie und Alltagsverhalten
  • Vermittlung von weiteren Selbsthilfetechniken
  • Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen und Aufbau von sozialen Kontakten
  • Reduzierung der Exazerbationshäufigkeit (= Phasen der Verschlechterung des Zustandes)
  • Stärkung / Stabilisierung des Immunsystems.

Bereich Alltag:

  • Vermeidung belastender Atemformen bei Alltagsbelastungen und –situationen (z. B. Heben, Tragen, Reden bzw. Streiten, Gehen oder Husten usw.)
  • alltagsorientiertes Training z. B. in Form eines Alltagstrainings-Zirkels (Spülmaschine ausräumen, Wäsche aufhängen, Rollator-Parcour usw.)
  • richtiges und damit effektives, alltagsorientiertes Treppensteigen
  • gemeinsames Erarbeiten eines umsetzbaren Heimprogramms
  • Unfall- und Sturzprophylaxe (Atemwegspatienten holen in den Sturzstatistiken aktuell leider aufgrund falsch eingestellter Hilfsmittel bzw. nicht festem Schuhwerk auf)
  • Trainingssteuerung bei Belastung

Viele brauchen die Anleitung und häufig ist der Therapeut so etwas wie der vertraute Sicherheitsaspekt bei der Belastungsanleitung und -steuerung, er bietet Ansprache und Betreuung. Zusätzlich dazu ist der psychologische Faktor, die Gruppendynamik (Treffen und Üben mit den anderen Teilnehmern), ein sehr wichtiger Aspekt bei Lungensportgruppen- Hinzu kommt der Spaß an der Bewegung mit Gleichgesinnten und Mitbetroffenen, die man oft schon seit Jahren kennt.

Besonders wichtig ist in den Lungensport-Übungsstunden, dass durch den Übungsleiter sowohl bei der funktionellen Gymnastik, dem Gehtraining, den Spielen, dem Alltags-Trainingszirkel Belastungs-Differenzierungen angeboten werden, z.B. durch unterschiedliche Ausgangspositionen, Zusatzaufgaben, usw. Zur Steuerung der Belastung stehen dem Übungsleiter und damit auch den Teilnehmern die Borg-Skala (z.B. mittels Daumenzeig Daumen hoch – waagerecht – nach unten), die Pulsoximetrie und die Erfassung der 10-Sekunden-Atemfrequenz nach ausgiebiger Schulung der Teilnehmer zur Belastungssteuerung zur Verfügung.

Frauen beim Sport auf Fitnessmatten mit Terra-Bändern.

Ausblick

1. Durch Post bzw. Long Covid sind in den letzten Monaten viele Patienten hinzugekommen, da diese natürlich ebenfalls aufgrund der Symptome (Dyspnoe, Leistungs- und Aktivitätseinschränkungen, Husten, verändertes Atemmuster, kognitive Einschränkungen, usw.) von dem regelmäßigen Training profitieren. Diese werden in die unterschiedlichen Rehasport-Indikationsbereiche Innere Medizin (Lungensport), Kardiologie (Herzsport), Neurologie, Psychiatrie / Psychosomatik und Orthopädie (Funktionstraining) verteilt. Erforderlich sind eine entsprechende Eingangsuntersuchung durch den niedergelassenen Facharzt, die ärztliche Verordnung für den Rehabilitationssport und die genehmigte Kostenübernahme der Krankenkasse.

Die Verordnung kann auf Grundlage der ICD-10-Codes U08.9 und U09.9 (Zustände im Zusammenhang mit vorausgegangener COVID-19-Erkrankung) erfolgen. Ausgeschlossen sind aufgrund der akut infektiösen Situation oder akut behandlungsbedürftiger Erkrankung die ICD-10-Codes U07.1 (Vorliegen bzw. Diagnostik einer Covid-19-Erkrankung) und U10.9 (Zustände im Zusammenhang mit einer präsenten Covid-19-Erkrankung).

Überdacht bzw. gut überlegt werden muss sicher die Einführung von speziellen COVID-19-Trainingsgruppen im Rehasport, da dies zu einer Stigmatisierung der Teilnehmer führen kann. Darüber hinaus würden die bisherigen Teilnehmer der Reha-Sportgruppen als Unterstützer (z.B. in der „Beratung“ bei Sauerstoff-Langzeittherapie, Bewältigung der Alltagsbelastungen, Selbsthilfetechniken, Hilfe zur Selbsthilfe, sozialen Integration, Motivation usw.) entfallen. Der Austausch unter den Betroffenen in den Gruppen ist wichtiger denn je, auch zur Unterstützung der neuen bzw. bestehenden Teilnehmer und der Übungsleiter. Das Anamnesegespräch bildet hier, trotz des zusätzlichen Zeitaufwands, die Grundlage für das individuelle Therapie- und Trainingskonzept. Den Übungsleitern wird das Erstellen von Fragebögen / Checklisten zu den Symptomen (z.B. Fatigue-Assessment etc.) und ein regelmäßiger Check-up-Fragebogen bzgl. einer evtl. einsetzenden Symptomänderung empfohlen. Um eventuell als Konsequenz nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt einen Wechsel der Rehasport-Trainingsgruppe in eine andere Indikation (Kardiologie, Neurologie, Orthopädie, Psychiatrie) vorzunehmen.

2. Online-Lungensport:

Auch wenn die Kostenübernahme durch die Krankenkassen inzwischen eingestellt wurde (befristete Übergangsregelung), gibt es seit 2020 den Start zum Online-Lungensport mit Vorgaben bzgl. der Voraussetzungen für die Teilnahme (ärztl. Verordnung, ausführliches telefonisches Anamnesegespräch, funktionsfähiges Endgerät und definierte Anforderungen an die Software, kognitive Fähigkeit des Teilnehmers, um die Bewegungsaufträge ohne taktile Reize umzusetzen, die Teilnehmer durften nicht sturzgefährdet sein, Sicherstellung der Versicherung der Teilnahme auch im häuslichen Bereich, usw.). Zusätzlich gab es Vorgaben bzgl. der Durchführung und Qualitätssicherung (gültige Anerkennung der Übungsgruppe, beschränkte Teilnehmerzahl, gleichbleibende Zeiten, Sicherheitshinweise zu Beginn der Stunde inkl. der Übungen für den häuslichen Gebrauch, ausführliche Dokumentation unter dem Hinweis „Tele“ bzgl. Anwesenheit / Datum / Uhrzeit / Vorkommnisse / Teilnehmerzahl usw.) Regelungen zum Datenschutz, dem Abrechnungsverfahren und dem Anerkennungsverfahren waren natürlich auch angegliedert.
In der Rückmeldung war es deutschlandweit absolut unterschiedlich:

PRO: Fahrerei entfällt, man nimmt das Angebot eher wahr, als etwas allein zu machen, Gruppendynamik bleibt erhalten, Sicherheitsgefühl in der Pandemie.

CONTRA: nicht jeder konnte mitmachen, technische Probleme, Angst sich irgendwas „runterzuladen“, Fehlerkorrektur schwierig, mitmachen war eingeschränkt (unterhalten mit Menschen im Hintergrund, Handy, Telefon, Haustür), kein unbeschwertes Quatschen wie früher, persönlicher Kontakt fehlt, es ist nicht alles an Inhalten des Lungensports online möglich.

3. Apps:

Digitale Trainingsmöglichkeiten gewinnen nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie immer mehr an Bedeutung. Sie ergänzen zunehmend die Nachsorge einer Rehabilitationsmaßnahme, den Lungensport bzw. die Physiotherapie an den terminfreien Tagen als durchzuführendes Heimprogramm unter Anleitung. Inhalte der Apps sind neben dem Wissen über die Erkrankung und das Krankheitsmanagement vor allem angeleitete Übungen in unterschiedlichen Belastungs- und Intensitätsstufen zur Kräftigung, Mobilisation und Entspannung, teilweise begleitet durch einen virtuellen Coach mit Echtzeitrückmeldung. Erinnerungsfunktionen, diverse Dokumentationen und Fragebögen erstellen eine Trainingsdokumentation zum Überblick und zur Motivation.

Hier Beispiele für Bewegungs-Apps:

  • KAIA COPD (Kaia Health Software GmbH)
  • Aktiv mit COPD (AstraZeneca)
  • Atemwege gemeinsam gehen (AstraZeneca)

Grundsätzlich aber gilt: therapeutisch angeleiteter Lungensport lohnt sich, denn Lungensport ist etabliert. Bewegung und körperliche Aktivität in der Gruppe machen Spaß. Aber es gibt noch Bedarf für weitere Gruppen und Übungsleiter. Und da die aktuellen Sportempfehlungen sind: 30 Minuten körperliche Aktivität pro Tag anzustreben, ist es eben auch wichtig, das Gelernte aus dem Lungensport in ein tägliches Heimprogramm zu packen und jeden Tag körperlich aktiv zu sein, am besten auch dokumentiert in einem Trainingstagebuch.

Und bitte immer daran denken: jeder Schritt, jede Treppenstufe und jede Übung sind wichtig für die eigene Lebensqualität, (soziale) Mobilität und Teilhabe!

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