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Zusammenfassung: Prof. Gratiana Steinkamp, so erschienen im Alpha1-Journal 1/2023.

Die grundlegende Störung beim AAT-Mangel besteht darin, dass die veränderten AAT-Proteine zusammenklumpen, Aggregate bilden und sich in Zellen ablagern. Eine solche Proteinaggregation ist ein allgegenwärtiges Problem, das auch andere wichtige Erkrankungen betrifft. So gehören die Alzheimer- Demenz, die Parkinson- Krankheit und die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) in diese Gruppe. Auch deswegen interessiert sich die Pharmaindustrie zunehmend für die Thematik. Der AATM kann hier als Modell-Erkrankung betrachtet werden.

Im Jahr 2015 wurde das Alpha1-Konsortium aus der Taufe gehoben. Dank der engen Zusammenarbeit zwischen Selbsthilfeorganisation und Forschung wurden wichtige neue Erkenntnisse gewonnen. Inzwischen weiß man viel genauer, welche Mutation welche Auswirkungen auf die Leber hat, vor allem natürlich bei PiMZ und PiZZ. Mehr als 1800 Probanden wurden untersucht, einige mehrmals, und Mitglieder der Arbeitsgruppe haben international anerkannte Publikationen sowie mehr als zehn medizinische Doktorarbeiten und zwei Habilitationen zu AATM und Leberbeteiligung verfasst.

Evaluation der Lebergesundheit

Die akute Schädigung der Leber untersucht man mit den gewöhnlichen „Leberwerten“ im Blut. Auch der Hausarzt kann sie bestimmen. Werte wie AST oder ALT sagen aus, wie es der Leber in den letzten Tagen ergangen ist. Eventuell aufgetretene akute Anstiege sind meist schnell wieder rückläufig. Personen mit PiZZ haben bei bis zu 15% der Untersuchungen erhöhte Blutwerte der AST/ALT. Wer bei PiZZ wiederholt erhöhte Leberwerte hat, sollte hellhörig werden und sich genauer untersuchen lassen.

Besonders wichtig beim AATM ist die Erfassung der chronischen Leberschädigung. Die beste und genaueste Aussage liefert eine Biopsie der Leber, also die Entnahme einer Gewebeprobe. Allerdings ist diese mit Schmerzen verbunden und kann nicht als Routine-Untersuchung gelten. Eine spezielle Ultraschalluntersuchung der Leber ist der Fibroscan. Wie der Name schon sagt, kann damit ein bindegewebiger Umbau des Organs, die Leberfibrose erkannt werden. Gemessen wird die „Steifigkeit“ der Leber in kPa, wobei Werte unter 7,1 kPa als weitgehend unbedenklich gelten. Die Messwerte werden den Fibrose-Stadien 0 (normal) bis 4 (Leberzirrhose) zugeordnet. Steifigkeiten von ≥7.1 kPa weisen auf eine mindestens mittelgradige Fibrose (Stadium 2) hin.

Verglichen Forscher die Ergebnisse der Leberbiospie mit dem Fibroscan, konnten sie mit dem Fibroscan-Gerät die fortgeschrittenen Stadien 3 und 4 zwar problemlos erkennen, nicht jedoch die Stadien 1 und 2. Von den untersuchten Personen mit PiZZ hatten 7% ein schweres Stadium 3 und 5% ein Stadium 4 vereinbar mit einer Leberzirrhose. Unauffällige Fibroscan-Befunde zeigten 78% der Patienten, so dass nur bei 22% Anzeichen für eine mindestens mittelgradige Fibrose bestanden.

PiMZ-Personen haben im Vergleich zu Kontrollen nur ein gering erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Leberzirrhose. Bei Patienten mit PiZZ ist dieses Risiko dagegen etwa 20mal höher. Ein kleiner Teil der leberkranken PiZZ-Patienten wird darüber hinaus irgendwann an einem Leberkrebs erkranken.

Eine einfache Möglichkeit zur groben Einschätzung der Lebergesundheit ist der APRI-Score, den jeder für sich selbst ausrechnen kann. Man benötigt dazu den Leberwert AST in der Maßeinheit IU/l sowie die zugehörige obere Normwertgrenze des Labors, außerdem den Wert für die Blutplättchen, die Thrombozyten, in 106/l. Zuerst teilt man den AST-Messwert durch seinen Normwert, dann dividiert man diese Zahl durch die Thrombozyten und multipliziert schließlich mit 100. Hier können auch die im Internet zur Verfügung stehenden Rechner verwendet werden. Wenn die Leber in der Fibroscan-Messung eine fortgeschrittene Leberfibrose aufweist, liegen die entsprechenden APRI-Zahlen meist bei über 1,0. Werte unter 0,5 sprechen eher gegen eine vernarbte Leber, schließen diese aber nicht aus.

„Besonders wichtig beim AATM ist die Erfassung der chronischen Leberschädigung.“

Leberbeteiligung im Langzeitverlauf

Eine große Studie in Aachen verfolgte über 500 PiZZ-Patienten über mindestens ein Jahr mit einem umfassenden Untersuchungsprogramm zu Beginn und zumindest einer umfangreichen Befragung im Verlauf. Über durchschnittlich 3,6 Jahre Nachbeobachtungszeit verstarben 26 dieser Patienten, davon 12 bedingt durch ihre Lebererkrankung. Transplantationen von Lunge und Leber wurden bei 19 bzw. 5 Teilnehmern erforderlich. Zudem entwickelten sich vier schwere dekompensierte Leberzirrhosen.

Die Forscher werteten die Ergebnisse der Fibroscans zu Beginn im Vergleich zu später auftretenden schwerwiegenden Leberproblemen aus. Patienten mit späterem gravierendem Leberproblem hatten zu Beginn fast immer eine Lebersteifigkeit über 10 kPa, während die Messwerte der übrigen Studieneilnehmer meist unter 7,1 kPa lagen. Hier zeigte sich, dass der Fibroscan durchaus Prognosen zur Leberbeteiligung ermöglicht.

Den PiMZ-Genotyp trägt etwa jeder 30. Bundesbürger, und die Betroffenen sind in der Regel nicht krank. Sie sollten allerdings auf Risikofaktoren für ihre Leber achten, denn sie entwickeln etwas häufiger als die Normalbevölkerung eine Leberfibrose. Besonders ungünstig ist die Kombination von PiMZ mit Übergewicht, d.h. ein Body Mass Index (BMI) über 30 kg/m² und/oder einem Diabetes. Auch das Risiko für eine alkoholbedingte Leberzirrhose ist bei PiMZ mehr als 5-fach höher. Aus dem Biobank-Projekt im Vereinigten Königreich wurden Daten von mehr als 17.000 PiMZ-Personen im Hinblick auf deren Alkoholkonsum ausgewertet. Erst bei mehr als 60 g Alkohol pro Tag für Männer bzw. 40 g pro Tag für Frauen fanden sich vermehrt Auffälligkeiten der Leber. Ein Konsum unterhalb dieser Mengen ergab für PiMZ-Personen ähnliche Befunde wie bei der Kontrollgruppe, trotzdem kann es Menschen geben, die gegenüber Alkohol empfindlicher reagieren. Daher ist es sinnvoll, bei erhöhten Leberwerten Alkoholkonsum zumindest mittelfristig einzustellen, um zu sehen, ob dies zur Besserung führt.

Insgesamt gilt die Empfehlung für PiMZ-Personen, dass sie sich bei einem Spezialisten vorstellen sollten, sobald Leberveränderungen festgestellt wurden. Ziel ist, Ursachen einzugrenzen und ein Fortschreiten der Funktionsstörung zu verhindern.

Neue Therapie-Ansätze für die Leber

Wegen der Mutation am SERPINA1-Gen wird bei AATM ein defektes Z-AAT gebildet. Es ist falsch gefaltet und hat dadurch eine veränderte räumliche Struktur. Daher sammelt es sich ähnlich wie Müll in den Leberzellen. Die Z-AAT-Ablagerung wirkt wie Gift für die Leber und schädigt mit der Zeit das Gewebe.

Fibroscans samt Blutuntersuchung

Auch dieses Jahr hat das Team rund um Pavel Strnad die Möglichkeit eines Fibroscans samt Blutuntersuchung während des Infotages angeboten.

Neue Ansätze der Behandlung haben zum Ziel, die Produktion des falsch gefalteten Z-AAT zu verhindern. Dies geschieht nicht am Gen bzw. der DNA selbst, sondern auf der darunter liegenden Ebene der RNA. Eine vielversprechende Substanz ist Fazirsiran, ein neuartiges siRNA-Therapeutikum (small interfering RNA, kleine eingreifende RNA). Fazirsiran soll die Herstellung des mutierten AAT reduzieren und damit das Fortschreiten der Lebererkrankung aufhalten. Eine kleine Studie mit sechzehn Patienten erprobte Fazirsiran in einer Dosis von 100 oder 200 mg, wobei die Substanz alle zwölf Wochen unter die Haut gespritzt wurde. Bereits zwei Wochen nach Behandlungsbeginn konnten die Ärzte im Blut weniger Z-AAT nachweisen als zuvor. Diese reduzierende Wirkung blieb bei wiederholter Anwendung von Fazirsiran über ein Jahr bestehen. Auch in der Leber wurde bei den Studienteilnehmern Z-AAT in Gewebeproben gemessen. Bei der Wiederholungsuntersuchung fand man 83% weniger Z-AAT als vor Therapiebeginn. Auch die Leberenzyme ALT und Gamma-GT nahmen im Verlauf deutlich ab und sanken zumeist in den Normbereich. Während der zwölf Monate Studienzeit blieb die Lungenfunktion im Mittel unverändert. Nebenwirkungen, die zur Unterbrechung der Studienmedikation führten, registrierten die Forscher nicht.

Belcesiran ist ein ähnliches siRNA-Präparat eines anderen Herstellers. Derzeit läuft eine Phase-2-Studie, in die auch Personen mit Leberzirrhose eingeschlossen werden können. Beide siRNA-Präparate werden in den kommenden Jahren weiter gründlich erprobt.

Darüber hinaus werden in Studien Substanzen mit völlig anderen Wirkmechanismen geprüft. Die CRISPR-Methode, die auch als Genschere genannt wird, bietet eine Gentherapie des AATM. Die fehlerhafte Faltung des Z-AAT beheben sollen Substanzen, die die Faltung korrigieren können und in ähnlicher Form seit Jahren erfolgreich bei der Erbkrankheit Mukoviszidose angewendet werden. Und auch auf RNA-Ebene haben Forscher Ideen für neue Medikamente. Diese vielfältigen Bemühungen um die Behebung des zugrundeliegenden Defekts sind Anlass zu großer Hoffnung für Menschen mit AATM.

Zum Abschluss wies der Referent auf die aktuelle Aachener Leberstudie hin. Das Team bietet während des Alpha1-Infotags den Teilnehmern die Möglichkeit, sich gründlich und kostenlos von Spezialisten untersuchen zu lassen. Gleichzeitig unterstützen die Probanden damit die Forschung zur Lebererkrankung bei AATM.

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