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Dr.-Ing. Heinz Stutzenberger, so erschienen im Alpha1-Journal 1/2023.

Vom 20. bis 21.06.2023 fand in Lissabon der IPPC2023 statt, der International Plasma Protein Congress, veranstaltet von der PPTA, der Plasma Protein Therapeutics Association. Der folgende Bericht fasst die für Alpha-1-Antitrypsinmangel- Betroffene relevanten Vortragsinhalte zusammen.

Die erste Sitzung befasste sich umfänglich mit dem Thema „Spendersicherheit“. Dabei geht es um die Frage, ob Plasmaspendern durch die hohe Häufigkeit der Spenden und dem damit verbundenen Entzug von Blutplasmabestandteilen nicht gesundheitlicher Schaden entstehen kann. Dafür muss man wissen, dass Plasma je nach landesspezifischer Regelung in der EU bis zu 60-mal pro Jahr gespendet werden kann (USA: ca. 100-mal), weil dessen Bestandteile in der Leber relativ schnell nachgebildet werden können (im Gegensatz zu Vollblut, zwischen dessen Spenden eine Wartezeit von mehreren Wochen notwendig ist, da die roten Blutkörperchen vergleichsweise langsam im Mark der größeren Knochen gebildet werden). Es gibt mehrere Gründe, weshalb dem Thema Spendersicherheit generell und gerade auch aktuell eine große Aufmerksamkeit zuteil wird:

  • die bereits genannte Befürchtung des Entzugs lebenswichtiger Blutbestandteile
  • die Tatsache, dass die Plasmaspende in der neuen EURichtlinie zu SoHO (= Substances of Human Origin = Substanzen menschlichen Ursprunges, wie z.B. Blut, Plasma, Haut, Eizellen) voraussichtlich als hoch risikobehaftet eingestuft wird
  • die Erfahrung, dass es bei der Blutwäsche öfters zu Nebenwirkungen kommt, bei deren Durchführung eine ähnliche Apparatur und Prozedur wie bei der Plasmaspende zur Anwendung kommen

In mehreren Vorträgen wurden mittels der Ergebnisse aus Langzeitstudien an Plasmaspendern, aber auch mittels gezielter Versuche nachgewiesen, dass auch häufiges Plasmaspenden nicht zu gesundheitlichen Nachteilen führt. So sinkt z.B. der Blutspiegel von Immunglobulinen, die für die Abwehr von Krankheitserregern wesentlich sind, nach den ersten, in kurzen Abständen praktizierten Spenden deutlich ab, pendelt sich aber auf einem Niveau ein, welches ausreicht, um Spender im selben Maße wie der nicht spendende Rest der Bevölkerung vor Infektionen zu schützen. Dies gilt nachweislich sogar für Spender, die über das in Deutschland zulässige Maß hinaus Plasma spenden. Auch Knochenbrüche treten bei Plasmaspendern nicht häufiger auf (wie man eventuell aus dem Entzug calciumhaltiger Blutbestandteile befürchten könnte), und auch eisenmangelbedingte Probleme gibt es nicht in erhöhtem Maße. Ein bewussterer Lebensstil der Plasmaspender (z.B. Rauch- und Alkoholverbot in den Stunden vor der Spende) und die intensiven Untersuchungen der Spender und ihres Blutes können sich sogar positiv auf die Gesundheit auswirken, da Erkrankungen früh erkannt werden. Das es bei der Blutwäsche öfters zu unerwünschten Effekten bei den Probanden kommt, liegt einfach in der Tatsache begründet, dass die Betroffenen bereits sehr krank sind, wohingegen Plasmaspender nachweislich sehr gesund sein müssen, um überhaupt zur Spende zugelassen zu werden. Insgesamt konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Betreiber der Plasmaspendeeinrichtungen durch die entsprechenden SoHO-Vorschriften unnötig gegängelt fühlen, da ihnen (nachvollziehbarerweise) die Gesundheit und Gesunderhaltung ihrer Spender eine Herzensangelegenheit ist, und zwar schon aus purem Eigeninteresse: ohne gesunde Spender gibt es kein verwertbares Plasma, und ohne Plasma gibt es keine vermarktbaren Plasmaprodukte.

Foto eines Frauenarms während Plasmaspende

Neben der Verfügbarkeit von Plasmaprodukten, auf die weiter unten eingegangen wird, sind die Zugangsregelungen zu plasmabasierten Medikamenten, z.B. in Form der Kostenübernahme der Produkte durch die Krankenkassen, wesentlich für die Frage, ob diese den Patienten zur Anwendung zur Verfügung stehen. Diesbezüglich gibt es innerhalb Europas eine große Bandbreite von Regelungen, die anhand des Beispiels Alpha-1-Antitrypsin erläutert wurden: am einen Ende der Skala stehen z.B. Deutschland und Spanien, wo die Behandlung bei Vorliegen der entsprechenden Verordnungsbedingungen trotz einer vergleichbar hohen Zahl von Betroffenen zu 100 % übernommen wird. Im Gegensatz dazu gibt es eine Vielzahl von Ländern, wo die Behandlung überhaupt nicht bezahlt wird, und zwischen diesen Extremen gibt es noch eine große Anzahl teils kurioser Regelungen, die bisweilen aber auch schon einen makaberen Charakter haben. So übernehmen in einigen Ländern die Krankenkassen die Behandlung nur für eine begrenzte Anzahl von Betroffenen; neu Diagnostizierte kommen somit auf eine Warteliste, von der erst dann jemand zur Behandlung aufgenommen wird, wenn jemand aus dem Kreis der Behandelten herausfällt.

Eine weitere Sitzung war der Versorgungssicherheit mit Blutplasmaprodukten gewidmet. Die Wichtigkeit dieses Themas ist allen Beteiligten spätestens in der Zeit der Corona- Pandemie bewusst geworden, wo es zu Versorgungsengpässen bei Plasmaprodukten mangels Nachschub aus den USA kam. Global gesehen ist Europa von Plasma- Importen aus den USA abhängig, und nach der Pandemie wurde das politische Ziel ausgeben, diese Abhängigkeit zu reduzieren, was allerdings durch EU-interne Regelungen an seine Grenzen stößt: so sind innerhalb der EU nur 4 Länder in der Lage ihren Eigenbedarf zu decken, und zwar Deutschland, Österreich, Tschechien und Ungarn. Grund dafür ist die Tatsache, dass in diesen Ländern neben dem öffentlichen Sektor der Blutspendeorganisationen, wie z.B. dem Roten Kreuz oder großen Kliniken, auch privatwirtschaftlich betriebene Plasmazentren existieren. Aber auch diese sind der Regelung unterworfen, dass innerhalb der EU nur freiwillige, unbezahlte Spenden (in der Sprache der EU-Gesetzgebung: VUD = voluntary unpaid donation) zulässig sind. Allenfalls ist eine Entschädigung des Spenders für den mit der Spende verbundenen Aufwand zulässig, den die Länder aber wieder selber festlegen können, meist auf einen niedrigen zweistelligen Euro-Betrag. Aber auch hier gibt es sehr kuriose Lösungen wie z.B. in Polen: dort darf der Spender nur mit Schokoriegeln entschädigt werden, und zwar mit maximal 7 Stück pro Spende (Wobei gesundheitsbewusste Plasmaspender diese wegen des hohen Zuckergehaltes gar nicht essen!). Allerdings muss der Arbeitgeber dem Spender pro Spende einen freien Tag genehmigen, wodurch es dann möglich wäre, seinen Urlaubsanspruch mehr als zu verdoppeln. Allerdings ist dies reine Theorie, die mangels Verfügbarkeit von Spendezentren gar nicht umgesetzt werden kann.

„Ein bewussterer Lebensstil der Plasmaspender und die intensiven Untersuchungen der Spender und ihres Blutes können sich sogar positiv auf die Gesundheit auswirken.“

Damit Europa seine Abhängigkeit von Importen reduzieren kann, erscheint die Errichtung eines privatwirtschaftlichen Spendewesens hilfreich, wie aus den Erfolgen der o.g. vier Länder geschlussfolgert werden kann. Allerdings befürchten oft die öffentlichen Blutspendeeinrichtungen, dass ihnen dann die Spender entzogen werden (sog. „Crowdingout“). Ob es sich dabei um eine reale Gefahr handelt, darf sehr wohl angezweifelt werden, da sich z.B. in ländlichen Gebieten Spendezentren nicht lohnen, aber dort die Blutspendeaktionen der öffentlichen Organisationen sehr wohl erfolgreich etabliert sind. Kluge Regelungen können den befürchteten Abwanderungseffekt aber auch gezielt verhindern, wie das Beispiel Ungarn zeigt: dort müssen Plasmaspender mindestens 1 Mal pro Jahr Blut spenden, bevor sie nach entsprechend langer Wartezeit wieder regelmäßig zur Plasmaspende gehen können (wobei natürlich aus der Vollblutspende ebenfalls Plasma gewonnen wird).

In der nächsten Sitzung wurden ethische Aspekte der Plasmaspende beleuchtet. Während in den anglo-amerikanischen Ländern es allgemein als zulässig bzw. sogar wünschenswert erachtet wird, Menschen mittels Bezahlung zur Plasmaspende zu motivieren (was natürlich für den ärmeren Teil der Bevölkerung einen größeren Anreiz darstellt), stehen viele Europäer dieser Art Motivation eher skeptisch bis ablehnend gegenüber. Allerdings fällt auf, dass in diesem Diskurs häufig das Anliegen der Plasmaempfänger gar nicht oder nicht angemessen gewürdigt wird: oft geht es beim Empfang von Plasmaprodukten in Akutsituationen um Fragen von Leben oder Tod, und Langzeitbehandlungen gibt es auch nur dann, wenn dadurch eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes, eine Vermeidung bzw. Verzögerung einer Verschlechterung oder eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität des Empfängers erreicht werden kann, und dafür zu bezahlen ist wiederum in weiten Bevölkerungskreisen natürlich akzeptiert, auch in Europa.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beschriebene Veranstaltung einen umfassenden Überblick über die Thematik der Plasmaspende ermöglicht hat. Es ist natürlich nachvollziehbar, dass der überwiegende Teil der Vortragenden sich im Sinne des Veranstalters geäußert hat. Das emotionale Aufeinandertreffen zwischen einem höchst motivierten Plasmaspender und einer jungen Frau, die auf Plasmaspenden angewiesen ist, um ein halbwegs normales Leben jenseits eines Liege-/Steh-Rollstuhles führen zu können, hat aber eindrucksvoll bewiesen, dass hier auch nachdrücklich die Interessen der Plasmaempfänger vertreten wurden.

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