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Dr.-Ing. Heinz Stutzenberger, so erschienen im Alpha1-Journal 1/2023.

Auf Einladung unserer amerikanischen Freunde von der Alpha-1 Foundation konnten Marion Wilkens und ich an dieser Veranstaltung teilnehmen. Wegen Corona war diese, die ansonsten im Zweijahresrhythmus stattfindet, in 2021 abgesagt worden. Umso größer war die Freude bei Marion Wilkens, ihre zahlreichen Freunde, Kollegen und Kontakte aus den anderen internationalen Patientenorganisationen, die forschenden Ärzte und die Vertreter der Pharmaindustrie beim Empfang am Vorabend der Konferenz wiederzusehen. Ich hatte erstmals Gelegenheit, meine Mitstreiter auf dem Weg zu einer europäischen Alpha-1 Allianz persönlich zu treffen, mit denen ich seit mehr als einem halben Jahr mehrmals wöchentlich in virtuellen Meetings am Computerbildschirm zusammenarbeite.

Im Rahmen der Forschungskonferenz wurden am ersten Tag schwerpunktmäßig neue Medikamente und Behandlungsformen vorgestellt, die sich gerade in den verschiedenen Phasen der klinischen Erprobung befinden. Weit vorangeschritten ist zum Beispiel die Entwicklung einer inhalativen Alpha-1 Antitrypsin-Gabe, bei der die aufwendige intravenöse AAT-Zufuhr ersetzt wird durch die Inhalation von AAT, z.B. im Rahmen der bei vielen Alphas sowieso üblichen täglichen Salzwasser-Inhalation zur Verflüssigung der Atemwegssekrete. Einen ebenfalls signifikanten Vorteil bei der Handhabung der AAT-Zugabe könnte erreicht werden durch die Einspritzung unter die Haut, die auch von medizinischen Laien praktiziert werden kann. In früheren Entwicklungsstadien befinden sich weitere Ansätze:

  • Erzeugung von AAT ohne Verwendung menschlichen Blutplasmas, z.B. durch Gewinnung aus tierischen oder pflanzlichen Zellen, wie es z.B. bei der Erzeugung von Insulin oder Impfstoffen heute schon praktiziert wird
  • medikamentöse Ansätze zur Verhinderung der Verklumpungen des AAT in der Leber oder zur Auflösung derselben nach Vermeidung der Bildung weiteren „unbrauchbaren“ AATs
  • gentechnische Ansätze im Rahmen vorklinischer Studien

Vielfach zu hören war der Appell der forschenden Ärzte an die Patienten, an den Stufe-3-Studien zur Medikamentenentwicklung teilzunehmen, ohne die neue Medikamente nicht zur Anwendung kommen können. Selbst wenn einige Patienten nicht sofort profitieren, z.B. weil sie der Placebo- Gruppe zugeordnet werden, helfen sie mit, dass betroffene Angehörige, Kinder und Enkel später in den Genuss neuer Therapien kommen können. Allerdings ist die Teilnahme an diesen Studien nicht für jedermann offen: zum einen kann man nicht in allen Ländern und an beliebigen Orten teilnehmen, und zum anderen gibt es für potentielle Teilnehmer umfangreiche Listen mit Einschluss- und Ausschluss-Kriterien, abhängig davon, welcher Nachweis mit der jeweiligen Studie erbracht werden soll. Den vollständigen Überblick über die in den USA, Europa und vielen anderen Ländern laufenden Studien finden Sie hier.

Am zweiten Tag, dem Patientenkongress, standen diese im Fokus. Eine (nicht neue) zentrale Erkenntnis bestand darin, dass es gewaltige Unterschiede in den individuellen Ausprägungen der Beschwerden gibt, die der AAT-Mangel bei einzelnen Patienten hervorruft, aber auch im Ausmaß der Unterstützung, die Patienten in den verschiedenen Ländern erhalten. Dort reicht die Spannweite von völliger Ahnungsund Bedeutungslosigkeit des Themas auch in Ländern, wo durch Einwanderung aus Europa viele vom AAT-Mangel betroffene Personen zu vermuten sind, bis hin zu Ländern, wo zunehmend systematisch nach Betroffenen gesucht wird (im Extremfall sogar durch Neugeborenen-Screening, also der Durchführung eines umfassenden Gentests auf eine Vielzahl möglicher Gendefekte bei allen Babys direkt nach der Geburt) und AAT zur Augmentation/Substitution für die am stärksten betroffenen Patienten bereitsteht und von den Krankenversicherungen bezahlt wird. Einige Patientenvertreter berichteten von jahrelangen Märschen durch verschiedenste Institutionen, wo nur durch die Hartnäckigkeit Einzelner der Zugang zu etablierten Therapien erreicht werden konnte, zur Ermutigung derjenigen, die dieses Ziel noch erkämpfen müssen.

Nach dem Ende des offiziellen Teiles dieser höchst informativen und beeindruckenden Veranstaltung trafen sich die Mitstreiter für die Gründung der europäischen Allianz erstmals persönlich zu einer gemeinsamen Sitzung, bei der der aktuelle Stand der Vorbereitungen auch denjenigen Ländervertretern erklärt werden konnte, die ansonsten wegen Zeit- und Sprachproblemen bei den Online-Treffen weniger präsent sind. Alle Teilnehmer bekräftigten nochmals den Wunsch, Teil dieser Allianz zu werden, wohl auch ermutigt durch die massive und einhellige Unterstützung, den diese Idee auf dem offiziellen Teil der Tagung von Seiten der anderen Organisationen, der Forscher und der Pharma-Vertreter erfahren hat.

Als noch nicht so lange aktiv bei Alpha1 Deutschland und in der Gemeinschaft der Alphas bin ich heimgeflogen, tief beeindruckt von dem Fachwissen, das in Dublin vertreten und verbreitet wurde, aber auch von dem Engagement der Patientenorganisationen und insbesondere dem hohen Ansehen, das sie bei all denjenigen genießen, die neue Therapieansätze gegen den AAT-Mangel erarbeiten, und nicht zuletzt von der Herzlichkeit aller, die ich getroffen und kennengelernt habe.

Marion Wilkens (zweite von links) und Dr. Heinz Stutzenberger (links) auf dem Patientenkongress in Dublin
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