Das Pulsoximeter gehört in jede Alpha-1-Hausapotheke
AutorIn
Dr.-Ing. Heinz Stutzenberger, überarbeitet von Dr. Alexander Rupp
Es wird wohl kaum jemanden mit einem diagnostizierten Alpha1-Antitrypsin-Mangel geben, bei dem noch nie ein Pulsoximeter angelegt wurde, sei es als kaum Babyfaust-großes Handgerät beim Arzt oder als bloßer Sensor, verkabelt mit weiteren Geräten zur Überwachung in der Klinik.
In beiden Fällen wird das Gerät über einen Finger geklippt und misst dann – wie sein Name schon sagt – Herzfrequenz (Puls) und Sauerstoff (Oxygen), genauer: den Grad der Sauerstoffsättigung des Blutes, also wie viel % der roten Blutkörperchen mit Sauerstoff beladen sind. Daszunächst recht einfach aussehende Gerät bedient sich der Hilfe eines doch recht komplexen Messverfahrens, nämlich der Spektraloximetrie (also der Sauerstoffmessung mittels Licht):
- Auf der einen Seite des Clips sitzt eine Lichtquelle, die Licht in 2 unterschiedlichen Wellenlängen aussendet
- Auf der Gegenseite sitzt ein optischer Empfänger, der ausmisst, wie viel Licht jeweils durch das dazwischen befindliche Blut im Finger absorbiert wird, und errechnet daraus den Wert für die Sauerstoffsättigung, angegeben in %SpO2, aus dem Englischen „saturation peripher O2“ übernommen.
100 % SpO2 würde also bedeuten, dass das Blut in höchstmöglicher Weise mit Sauerstoff gesättigt ist. Diesen Wert erreichen allerdings auch vollkommen gesunde Menschen meist nicht im Alltag, sondern bei diesen liegt der Wert typischerweise im Bereich zwischen 96 und 99 %1, andere Quellen geben 92 – 97 % als Normbereich an2.
Diese Werte gelten für den Ruhezustand. Bei körperlicher Anstrengung bleibt die Sauerstoffsättigung bei gesunden Menschen hoch; lediglich bei extremster Belastung kann es zu einer geringen Abnahme kommen. Bei Personen mit deutlichen Einschränkungen bei Lungenfunktion und insbesondere Gasaustausch (z.B. durch ein Lungenemphysem) kommt es dagegen schon bei mäßiger Belastung zu einer messbaren Abnahme der Sättigung.
Auch im Schlaf kann die Sauerstoffsättigung abfallen, insbesondere in der Rückenlage, die bisweilen einer tiefen Atmung nicht förderlich ist3, weil sie das Schnarchen intensivieren kann, in dessen Folge bei besonders starker Ausprägung regelrechte Atemaussetzer („obstruktive Schlafapnoe“) auftreten. In Einzelfällen fehlen z.B. bei Herzpatienten auch die Atemkommandos des Atemzentrums („zentrale Schlafapnoe“), sodass die Sauerstoffsättigung ebenfalls sinkt. U.a. als Folge dieser Effekte ist die Sauerstoffsättigung bei den Betroffenen am frühen Morgen meist besonders niedrig, nimmt dann aber bald wieder bis auf das übliche Niveau zu.
Für lungengesunde Menschen wird ein Wert in Ruhe von 92 % oft als unterster noch akzeptabler Wert angegeben, und ein rascher Abfall auf Werte kleiner als 90 % gar als potenziell lebensbedrohlich. Bei Personen mit fortschreitender Einschränkung der Lungenfunktion kommt es jedoch zu Anpassungsprozessen, weshalb hier eine modifizierte Betrachtungsweise angebracht sein kann: da der Körper sich in gewissen Grenzen an einen niedrigeren Sättigungswert anpassen kann4, ist weniger dessen absoluter Wert von Bedeutung, sondern eher ein auffälliger Abfall. Allerdings kann es wegen vieler individueller Faktoren keine allgemeingültige Grenzwertfestlegung für Personen mit eingeschränkter Lungenfunktion geben. Generell kann man davon ausgehen, dass eine Sauerstoffsättigung von unter 90 % behandlungsbedürftig und langfristig bei einem Wert von unter 85 % kritisch ist4.
Neben all diesen Faktoren, die generelle Aussagen zur individuell „richtigen“ Sauerstoffsättigung erschweren, können auch noch Messfehler durch unsachgemäßen Gebrauch der Pulsoximeter auftreten, die meist zu einem zu geringen Messwert führen. Die häufigsten Ursachen dafür sind
- Nichtbeachtung der Anwendungshinweise aus der Gebrauchsanleitung
- Ein zu loser oder schiefer Sitz des Gerätes am Finger
- Nagellack, künstliche Fingernägel oder Nagelpilz
- Kalte Finger
Trotz aller dieser Unwägbarkeiten ist es sinnvoll, sich ein Pulsoximeter für den Hausgebrauch zu beschaffen, ganz besonders zur Erkennung von Veränderungen der Sauerstoffsättigung bei Personen, bei denen die Lungenfunktion bereits beeinträchtigt ist, wie z.B. bei vielen Alphas.
Aus den Erfahrungen unserer Vereinsmitglieder lassen sich dafür die folgenden Ratschläge ableiten:
- Kaufen Sie sich ein Pulsoximeter für Ihre Hausapotheke, z.B. in Ihrer Apotheke oder im Sanitätshaus, aber auch im Internet finden Sie passende Angebote; die Preise liegen zwischen 20 und 30 € (es gibt natürlich auch noch teurere Varianten, z.B. solche, die die Messdaten über der Zeit speichern oder sich sogar mit einem Smartphone koppeln lassen, auf dem sich dann sogar der zeitliche Verlauf der Messungen darstellen lässt – allerdings sollte der Nutzer solch aufwändiger Varianten eine gewisse Technikaffinität mitbringen und sich bewusst sein, dass der Zusatznutzen gegenüber einer simplen Ausführung überschaubar ist)
- Messen Sie Ihre Sauerstoffsättigung regelmäßig, z.B. einmal die Woche (vielleicht zusammen mit einer regelmäßigen Blutdruckmessung), und tragen Sie das Ergebnis zusammen mit der gemessenen Pulsfrequenz in eine Tabelle ein
- Messen Sie in Ruhe und immer etwa zur selben Tageszeit
- Beginnen Sie mit den Messungen am besten nach einem Arztbesuch, bei dem dieser Ihnen bestätigt hat, dass Ihr aktueller Gesundheitszustand Ihrer persönlichen Normalität entspricht; so können Sie die ersten Messwerte einfach zur Kenntnis nehmen und müssen sich nicht gleich schon beunruhigen, wenn diese von dem abweichen, was in einschlägigen Zeitschriften oder im Internet als „normal“ bezeichnet wird.
- Wenn Sie dann regelmäßig in den Folgewochen Ihre Sauerstoffsättigung erfassen und verfolgen, werden Sie sehen, dass das Ergebnis gewissen Schwankungen unterliegt und um +/- 2 % pendeln kann; das liegt zum einen an der Messgenauigkeit der Geräte, zum anderen aber auch daran, dass die Sauerstoffsättigung im Körper auch gewissen Schwankungen unterliegt
- Mit regelmäßigen Messungen über einen mehrwöchigen Zeitraum haben Sie dann die Basis gelegt für Ihre individuelle, mittel- und langfristige Sauerstoffsättigung
- Wenn Sie dann einmal einen ungewohnt niedrigen Wert messen, sollten Sie zunächst überprüfen, ob das Pulsoximeter richtig auf Ihrem Finger sitzt oder andere Gründe zu einer Fehlmessung führen könnten; wiederholen Sie die Messung nach einer Ruhephase von 10 bis 15 min einfach nochmals
- Bestätigt sich aber ein deutlicher Abfall der Sauerstoffsättigung vom langfristigen Mittelwert, dann sollten Sie sich mit Ihrem Arzt in Verbindung setzen, insbesondere auch dann, wenn Sie weitere Anzeichen an sich erkennen, die auf eine Verschlechterung Ihrer Atmung oder Ihres allgemeinen Gesundheitszustandes hindeuten oder wenn die gemessene Pulsfrequenz deutlich gegenüber dem langfristigen Mittelwert angestiegen ist
- Falls sich bei Ihnen Anzeichen für eine Verschlechterung Ihres Wohlbefindens und insbesondere Ihrer Atmung zeigen, dann ist es natürlich sinnvoll, auch außerhalb des gewohnten Rhythmus Ihre Sauerstoffsättigung zu messen und mit dem langfristigen Mittelwert zu vergleichen; erkennen Sie hierbei einen deutlichen Abfall, dann sollten Sie auch dies zum Anlass nehmen, Ihren Arzt zu kontaktieren
- Eine Erfassung der Sauerstoffsättigung in kürzeren Zeitabständen empfiehlt sich bei Lungenkranken, wenn zu den chronischen Beschwerden weitere akute Angriffe auf die Atemwege dazukommen, z.B. im Rahmen einer Erkältung, eines grippalen Infektes, einer Bronchitis oder einer Covid-19 Corona Infektion
Soweit zur Theorie. In Bild 1 sind jetzt Aufzeichnungen der Sauerstoffsättigung einer Betroffenen mit der Ausprägung PI*ZZ dargestellt, deren Lunge durch Bronchiektasen und Emphysem geschädigt ist bei noch weitgehend intakter Atempumpe (der besseren Lesbarkeit halber wurden die manuell notierten Messwerte in eine Computertabelle übertragen):
- Die Aufzeichnungen wurden wenige Tage/Wochen nach einem Klinikaufenthalt begonnen, also zu einem Zeitpunkt beschwerdefreier „Normalität“
- Das Niveau der Messwerte liegt
- Unter demjenigen, das für einen lungengesunden Menschen zu erwarten ist
- Aber durchaus deutlich höher als das, was für Betroffene mit bereits stark eingeschränkter Lungenfunktion zu erwarten ist
- Man erkennt gut die Schwankungen der Messwerte in der oben angegebenen Schwankungsbreite
- Aufgrund der Häufung von Messungen mit 93 und 94% kann man im vorliegenden Fall diese Werte als langfristige Mittelwerte annehmen
- Im dargestellten Zeitraum tritt kein deutlicher Abfall der Sauerstoff-Sättigung auf; dies deckt sich mit den Wahrnehmungen der Betroffenen, die in der ausgewiesenen Periode auch keinerlei Veränderung ihrer Lungenfunktion bemerkt hat
Noch deutlicher als in der Tabelle sieht man die beschriebenen Details in der grafischen Darstellung der Messwerte in Bild 2:
- Jede geschwärzte Zelle stellt einen Messwert dar
- Jetzt ist ganz deutlich zu erkennen, dass einzelne Messwerte schon einmal deutlich vom Mittelwert abweichen können, insgesamt aber in einer komplikationslosen Zeit der Mittelwert der Sauerstoffsättigung stabil ist und im vorliegenden Beispiel zwischen 93 und 94% liegt
Aus Sicht einer prägnanten Darstellung leider, im Sinne der Betroffenen zum Glück, erkennt man in den Aufzeichnungen keinen deutlichen Abfall der Sauerstoffsättigung, aber man erkennt doch, dass dieser – wie bereits eingangs erwähnt – deutlich grösser als 2% vom langfristigen Mittelwert sein müsste, um als Alarmzeichen gewertet werden zu müssen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
- Mit dem Pulsoximeter steht Patienten mit Lungenfunktionsproblemen ein preisgünstiges Gerät zur Verfügung, um eine Verschlechterung der Lungenfunktion erkennen und dokumentieren zu können
- Wichtig bei seiner Anwendung sind dabei Messungen über einen längeren, beschwerdefreien Zeitraum, um ein Gefühl für sein normales Niveau und die üblichen Schwankungen zu bekommen
- Ein Pulsoximeter sollte bei jedem Alpha mit Lungenproblematik in der Hausapotheke vorhanden sein und regelmäßig angewendet werden
- Deutliche Abfälle in den Messwerten sollten zum Anlass genommen werden, Kontakt zum behandelnden Arzt aufzunehmen, insbesondere wenn diese auftreten bei gleichzeitiger Verschlechterung der Atmung, des allgemeinen Wohlbefindens oder im Rahmen eines anderen die Atemwege betreffenden Infektes
Für diejenigen unter Ihnen, die sich jetzt vorgenommen haben, eine wöchentliche Messung ihrer Sauerstoffsättigung durchzuführen (und natürlich auch für diejenigen, die das schon länger praktizieren), stellen wir Kopiervorlagen des oben gezeigten Protokolls auf unserer Internet-Seite zum Download bereit. Sollten Sie auf ärztlichen Rat hin täglich Ihre Sauerstoffsättigung messen, dann können Sie diesen Vordruck ebenfalls nutzen, indem Sie den Maßstab nicht wie dargestellt auf die Kalenderwoche anwenden, sondern auf den Kalendertag, und für jeden Monat ein eigenes Blatt verwenden.
Bitte beachten Sie auch noch den folgenden Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeingültige Ausführungen auf der Basis von Literaturangaben und Rückmeldungen unserer Mitglieder, und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.
Quellen:
- https://flexikon.doccheck.com/de/Pulsoximeter
- https://www.cardiopraxis.de/pulsoximetrie-lunge-testen-bei-lungenentzuendung/#:~:text=Unter%20k%C3%B6rperlicher%20Belastung%20bleibt%20die,kein%20Messfehler%20vor%2C%20nicht%20normal.
- https://meinschlaf.de/gesunder-schlaf/sauerstoffsaettigung-im-schlaf-11273/
- https://www.dr-gumpert.de/html/erniedrigte_sauerstoffsaettigung.html
Fotocredits: Pulsoximeter Kristini/shutterstock.com ; Schlaf Gorodenkoff/shutterstock.com