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Heinz Stutzenberger, so erschienen im Alpha1-Journal 2/2024.
Wie sich die Leser des Alpha-1 Journals 1/2024 vielleicht noch erinnern, ist die Alpha-1 Europe Alliance nach ihrer Gründung am 17.10.2023 recht dynamisch in das erste Jahr ihres Bestehens gestartet. So konnte dann auch zum 25. April die große Kampagne anlässlich des dann stattfindenden Alpha-1-Awareness-Tages durchgezogen werden. Diese Dynamik war nicht zuletzt unserer damaligen externen Koordinatorin Veronica Lopez Gousset zu verdanken. Zu unserem großen Bedauern hat sie uns aber zur Jahresmitte verlassen, um an der Harvard T.H.Chan School of Public Health in Boston ein Doktorandenstudium aufzunehmen. Vielleicht hat der Vorstand der Alpha-1 Europe Alliance mit der Erstellung eines wohl verdienten hervorragenden Arbeitszeugnisses einen kleinen Beitrag dazu leisten können, ihr diesen großen Karriereschritt zu ermöglichen.
Der Dynamik des Vereinsgeschehens hat der Weggang einen herben Schlag versetzt, da sich die allesamt ehrenamtlich tätigen Vorstände, die zum Teil auch noch in Vollzeit arbeiten, auf die Suche nach einer Nachfolgerin begeben mussten. Glücklicherweise konnte diese aber bald gefunden werden: Jill Bonjean ist seit dem 15.09.2024 die neue Koordinatorin der Alpha-1 Europe Alliance. Sie stammt aus den USA, lebt aber jetzt in Paris und hat eine langjährige Erfahrung bei Organisationen im Umfeld seltener Erkrankungen. Nachdem es bis zur Jahresmitte gelungen war, die Finanzierung der Alliance zumindest für eine absehbare Zeit sicherzustellen, konnte auch die Stelle des Communication Managers besetzt werden. Dafür wurde Lila Martinez Ucha gefunden, die argentinische Wurzeln hat, jetzt in Spanien lebt und ebenfalls über langjährige Erfahrung in ihrem Tätigkeitsfeld verfügt.
Natürlich kam aber die Vereinstätigkeit auch in der Phase fehlender Unterstützung nicht völlig zum Erliegen. So konnten u.a. zwei weitere Organisationen den Bewerbungsprozess mit positivem Prüfergebnis durchlaufen und als Mitglieder aufgenommen werden:
- die Alpha-1 Foundation Ireland, deren Vertreterin schon in den Gründungsvorbereitungen der Alliance aktiv war; wegen eines Personalwechsels hatte sich dann aber die Bewerbung um einige Monate verzögert
- die Longfonds Stiftung aus den Niederlanden, die allen Patienten mit Lungenerkrankungen offensteht und aus deren Mitte die Alphas die Aufnahme in die Alliance angestrebt haben

Der dänische Alpha-1 Verein, der ja schon länger Mitglied der Alliance war, hat im Sommer mit den Vereinen aus Norwegen und Schweden fusioniert und vertritt jetzt alle drei nationalen skandinavischen Vereine als Alfa-1 Norden/Nordic.
Zum Zeitpunkt ihres ersten Geburtstages (der im Übrigen nur virtuell auf deren Informationskanälen gefeiert wurde) hat die Alliance nunmehr 13 Mitglieder und repräsentiert Alphas in 14 Ländern (die Zahlen sind ungleich, da es in Spanien zwei Mitglieder gibt und ein Mitglied (Alfa-1 Norden, s.o.) gleich drei Länder vertritt). Damit sind mit einer Ausnahme (Frankreich) alle bekannten nationalen Vereine Mitglied in der Allianz, die damit etwa 4.400 Patienten vertritt.
Diese breite Vertretung von Alphas über ganz Europa hinweg ist wohl auch der Grund für die Tatsache, dass die Alliance von Anfragen zum Aufbau verschiedenster Formen der Zusammenarbeit seitens Pharmafirmen mit neuartigen Therapieansätzen überhäuft wird. Diese Ansätze befinden sich meist noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, typischerweise oft auch noch in der vorklinischen Erprobung. Dabei handelt es sich sowohl um neuartige chemische Substanzen, als auch Eingriffe in die RNA (vereinfacht also der Kopiervorlage für die körpereigene Erzeugung von AAT) bis hin zu gentechnischen Eingriffen (in diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass Mitte dieses Jahres der erste Alpha-1 Patient in England mit einem solchen Medikament behandelt wurde). Selbst wenn die meisten Ansätze auf dem Weg zu einem verordnungsfähigen Medikament scheitern werden, lässt doch ihre schiere Fülle hoffen, dass die eine oder andere Entwicklung zur Reife gelangt, und es hat den Anschein, dass die Vertreter der Alphas auf europäischer Ebener diese Entwicklung werden begleiten können. Leider unterliegenden diese Gespräche strengen Vertraulichkeitsvereinbarungen, sodass Details an dieser Stelle nicht veröffentlicht werden können.
Es sind aber nicht nur Pharmafirmen, die die Alliance in zunehmendem Maße kontaktieren, sondern es gibt auch immer mehr Anfragen von Patienten, die uns über unsere Kontaktadresse aus dem Internet anschreiben. Wenn diese Anfragen aus Mitgliedsländern kommen, verweisen wir die Patienten an die nationalen Vereine und stellen den direkten Kontakt zu diesen her. Anfragen aus Ländern außerhalb unseres Mitgliederbereiches beantworten wir selber, teilweise unter Zuhilfenahme von Übersetzungsprogrammen für Fragen und Antworten. Die Anfrage des am weitest entfernten Patienten kam übrigens aus Chile! Auch auf der politischen Ebene gab es wieder einen Fortschritt: am Rande der SoHO-Konferenz der Europäischen Gesundheitsunion, bei der unser Mitglied Bernd Dobbert sich für eine großzügigere Aufwandsentschädigung bei Plasmaspenden ausgesprochen hatte (siehe seinen Bericht im Journal 1/2024), wurde die Vorsitzende der Alliance von einem Vertreter der Europäischen Kommission aufgefordert, diese als Teilnehmer an weiteren Beratungen zur Regulierung der „Substanzen menschlichen Ursprungs“ anzumelden. Unserem Antrag wurde entsprochen, und so sind wir seit September 2024 aufgenommen in der Liste der Organisationen, die an Treffen der SoHO-Expertengruppe teilnehmen können. Falls es also in Zukunft Änderungen oder Ergänzungen an der SoHO-Regelung geben sollte, können wir dafür sorgen, dass unsere Interessen in einem Kreis angehört werden, in dem Patientenvertreter ansonsten in der Minderheit sind.
Jill und Lila ging es dann ab September an die Vorbereitungen der beiden für das Jahr 2024 noch geplanten Projekte.
Am 05.11.2024 gab es eine große Online-Patientenkonferenz, die Marion Wilkens und die Schriftführerin der Alliance, Karen O’Hara, die auch die Vorsitzende des Alpha-1-Vereins im Vereinigten Königreich ist, zusammen mit ELF (= European Lung Foundation), ERS (= European Respiratory Society) und dem Alpha-1-Register EARCO vorbereitet hatten. Im Rahmen dieser Veranstaltung gab es, über sechs Stunden verteilt, Vorträge über viele relevanten Aspekte des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels, analog zu den Fachvorträgen auf den Infotagen von Alpha1 Deutschland, und ebenfalls eine sportliche Einlage.

Die Vorträge und Präsentationen wurden in englischer Sprache über das Internet übertragen, dazu konnten Untertitel in 50 verschiedenen Sprachen eingeblendet werden. Zu Wort kamen sowohl Patienten als auch Ärzte aus vielen europäischen Ländern. Der Umfang der Vorträge war für eine Abendveranstaltung viel zu groß, deswegen fand sie tagsüber statt, was die Teilnahme von Berufstätigen allerdings erschwerte. Trotzdem hatten sich mehr als 340 Personen aus 35 Ländern angemeldet. Diese kamen überwiegend aus Europa, die am weitesten entfernten Teilnehmer aus Australien und das exotischste Land mit einem Teilnehmer war wohl Eswatini, das frühere Swasiland im Süden Afrikas. Die Resonanz auf diese Veranstaltung war überwältigend positiv!
Besonders viel Aufwand wurde auch in die Vorbereitung der Einführungsveranstaltung der Alliance bei ihren Partnern, Vertretern der Ärzteschaft und Sponsoren gesteckt. Sie fand am 15.11.2024 in einem Brüsseler Hotel unter dem Titel „Sicherstellung gleicher Zugangsbedingungen zu Behandlungsmethoden in Europa: Erstellung eines Aktionsplanes bis 2030“ statt.
Aufbauend auf Fachvorträgen von Vertretern der einschlägigen Organisationen und der Ärzteschaft sollten im Rahmen paralleler Workshops mit Teilnehmern aller Mitgliedsorganisationen Wege skizziert werden, wie die Alliance zur Erreichung eines ihrer Hauptziele beitragen kann. Über den Ablauf dieser Veranstaltung und die erzielten Ergebnisse werde ich in der nächsten Ausgabe des Journals berichten.
