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Zusammenfassung: Gabi Niethammer, so erschienen im Alpha1-Journal 1/2024.
Eine Intensivstation ist eine Station im Krankenhaus, auf der Patienten mit schweren bis lebensbedrohlichen Krankheiten oder Verletzungen intensivmedizinisch behandelt werden. Die Intensivabteilung unterscheidet sich von anderen Einheiten im Krankenhaus durch die Verwendung vielfältiger technischer Apparate sowie durch den Einsatz von mehr Personal.
Auf der sehr großen Intensivstation 10 II am Klinikum Nürnberg ist der Schlüssel in der Pflege tagsüber 2:1 und nachts 3:1, d.h. eine Pflegekraft kümmert sich nachts um max. drei Patienten. Bei 38 Betten mit ca. 5.000 Patienten pro Jahr wird die Versorgung gewährleistet durch einen Chefarzt, vier Oberärzte, 25 Assistenzärzte, 115 Pflegekräfte und Schüler, Kodierassistenten und vier medizinische Fachangestellte. Hinzu kommen noch Auszubildende aus all diesen Berufsgruppen.
Darüber hinaus wird das Behandlungsteam erweitert um Mikrobiologen (Infektiologie, Diagnostik, Resistenzen usw.), Apotheker (Interaktionen bewerten bei Medikamenten, Abklärung sparsamer Antibiotika-Verwendung), Physiotherapeuten (Bewegung, Mobilisation), Logopädie (Sprachförderung, Schluckstörungen), Klinikseelsorge (für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter), Sozialdienst (Organisation des Lebens nach Krankenhausaufenthalt) und eng eingebundene Reinigungskräfte, ohne deren gute Arbeit die Station nicht aufrechterhalten werden könnte.
Wichtig zu begreifen ist, dass die Menschen von Menschen behandelt werden! Diese möchten das Beste für ihre Patienten und trotzdem kommt es vor, dass sie schlechte Tage haben, an denen nicht alles funktioniert wie gewünscht. In Nürnberg darf rund um die Uhr besucht werden; die Station hat mit dieser Regelung gute Erfahrungen gemacht und Anund Zugehörige sind jederzeit willkommen.
Ohne die zur Seite stehenden Maschinen wäre der Intensiv- Klinikalltag undenkbar. Sie unterstützen, halten am Leben, sind manches Mal wichtige Therapien oder schenken, wie die Herz-Lunge-Maschine (ECMO), einfach Zeit, damit der Körper heilen kann. Ein großer Nachteil ist die immense Geräuschkulisse durch die vielen Geräte; insbesondere die vielen Hinweistöne und Alarme verursachen viel Krach.
Durch den immensen Einsatz von Mensch und Maschine zusammen wird versucht, den Patienten optimal zu versorgen und im Idealfall Leben zu retten und zu heilen. Wo diese Ziele nicht erreichbar sind, gilt es, Leiden zu lindern, ggf. auch palliativmedzinisch zu behandeln und ein schmerzfreies, würdevolles und „menschliches“ Sterben zu ermöglichen.
Viele Intensivpatienten werden künstlich beatmet. Früher ging das einher mit Narkose, die zur Stressreduktion das Bewusstsein sowie den Schmerz abschalten sollte. So war es damals üblich, die Menschen über eine längere Zeit in Narkose zu versetzen, doch wurde festgestellt, dass diese Maßnahme eher schädlich war. Die Medikamente hatten Nebenwirkungen, die Durchblutung der Organe wurde gestört, der Darm arbeitete oft nicht mehr vernünftig und die Beatmungsmuskulatur atrophierte (zurückbilden) bereits nach wenigen Stunden an der Beatmungsmaschine. Zudem fand man heraus, dass es nach intensivmedizinischer Therapie posttraumatische Belastungsstörungen gab, die schlimmer waren, als wenn man die Zeit auf der Intensivstation wach erlebt hatte.
Zwischenzeitlich geht man hier ganz andere Wege. Ein künstliches Koma ist in vielen Fällen gar nicht mehr nötig. Ziel ist es, Schmerzfreiheit zu erreichen und den Patienten tagsüber wach, aber angst- und stressfrei zu führen. Dies gelingt mit modernen, gut steuerbaren Medikamenten zumeist recht gut.
Als Narkosemittel wird meistens Propofol gegeben, als Schmerzmittel werden sehr viele Opiate wie z.B. das – in diesem Setting segensreiche – Fentanyl verwendet (das ja z.B. in den USA durch Missbrauch zu vielen Drogentoten führte).
So ist der Patient auch in der Lage, an seinem Genesungsprozess aktiv mitzuarbeiten, zum Beispiel durch Krankengymnastik. Auch der Besuch von Angehörigen gewinnt somit natürlich stark an Bedeutung.
„Derzeit sind aufgrund des Personalmangels auf meiner Intensivstation in Nürnberg nur 28 von 38 Betten betreibbar.“
Schmerzen lassen sich beim Koma-Patienten nicht direkt messen; die Ärzte behelfen sich hier über indirekte Zeichen wie Körpersprache, Mimik und Blutdruck des Patienten. Der wache Patient hingegen kann sagen, wo und wie stark er Schmerzen empfindet, sodass sehr viel zielgerichteter Abhilfe geschaffen werden kann.
Es ist modern geworden, Intensivtagebücher zu führen. Gerade Patienten, die lange auf Intensiv liegen und vielleicht eine Weile im Koma sind, können dadurch später den weißen Fleck füllen, den die Intensivstationszeit hinterlassen kann. Hier werden Untersuchungen vermerkt und An- und Zugehörige können ihre Besuche eintragen und etwas dazuschreiben.
„Primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare“ bedeutet: Erstens nicht schaden, zweitens bewahren und drittens heilen. Es ist der Grundsatz moralisch geforderten ärztlichen Handelns und bereits 50 v. Chr. von Scribonius Largus als Leitsatz niedergeschrieben.
Derzeit sind aufgrund des Personalmangels auf meiner Intensivstation in Nürnberg nur 28 von 38 Betten betreibbar. Neben dem Personalmangel sind aber auch andere Ressourcen knapp. Insbesondere Blutprodukte (Erythrozytenkonzentrate, Thrombozytenkonzentrate), aber auch manche Medikamente sind immer wieder Mangelware.
Um entscheiden zu können, wer überhaupt aufgenommen und wann von der Intensivstation verlegt wird, gibt es die vier Säulen des ethischen Handelns nach Beauchamp und Childress 1977:
- Respekt vor der Autonomie des Patienten (der Patient, soweit er es überblicken kann, darf entscheiden, ob er in eine vorgeschlagene Therapie einwilligen möchte)
- Nicht-Schaden
- Fürsorge, Hilfeleistung
- Gleichheit und Gerechtigkeit (Gerechtigkeit ist schwierig, da gleichzeitig die Gerechtigkeit gegenüber dem Individuum als auch der Gesellschaft gemeint ist. Kann ich mir als Gesellschaft leisten, für einen Einzelnen ein extrem teures Medikament zu verwenden oder macht man mit dieser Ressource Geld etwas anderes?)
Patientenverfügung und Versorgungsvollmacht
Planen Sie Ihre medizinische Zukunft mit einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht. Bestimmen Sie, welche Maßnahmen Sie wünschen und wer in Ihrem Namen Entscheidungen trifft. Erfahren Sie mehr.
Ethisch gesehen ist in der Intensivmedizin ganz viel möglich, doch es gibt natürlich Grenzen. Heute ist legalisiert, dass das Ärzteteam eine Therapie abbrechen darf, wenn keine Therapieoptionen mehr gegeben sind. Um den Patienten möglichst gut kennenzulernen, gibt es in Nürnberg Patienten-Ressourcen-Bögen, mit Hilfe derer herausgefunden werden soll, wie der Patient vor dem Intensivaufenthalt lebte und welche Ziele er hat.
Die Angst vor dem Sterben, gerade mit der Vorstellung, zu ersticken, ist groß. Es gehört zu den wichtigen Aufgaben auf der Intensivstation, offen über die vorhandenen Therapiemöglichkeiten und deren Grenzen zu sprechen. So kann es gut sein, dass ein Patient mit COPD im Endstadium, der beatmet und ohne Schmerzen recht munter auf der Intensivstation liegt, bei der Auswahl, als letzten Wohnort tracheotomiert in ein Beatmungsheim verlegt zu werden oder schmerzfrei und ohne Luftnot im Kreis seiner Angehörigen auf der Intensivstation zu versterben, sich für die palliative Lösung entscheidet.
Eine sehr wichtige Unterstützung bietet hier die ausgefüllte Patientenverfügung, in der der Patient vorab schriftlich festgelegt hat, in welche medizinischen Maßnahmen er zum Ende seines Lebens hin einwilligt und in welche nicht. Diese Entscheidungshilfe ist nicht nur für das Ärzteteam ein wertvoller Leitfaden, es entlastet auch Familienangehörige, ggf. schwierige Entscheidungen zu treffen, falls der Patient nicht mehr in der Lage ist, dies selbst zu tun.
Rein medizinisch gesehen ist die Vorsorgevollmacht für Ehepaare etwas in den Hintergrund gerückt. Seit 2023 gibt es für akute Krankheitssituationen ein gesetzliches Ehegattennotvertretungsrecht für Gesundheitsangelegenheiten. Es gilt aber nur für nicht getrenntlebende Verheiratete und ist auf sechs Monate beschränkt.
Eine zeitlich darüber hinausgehende Vertretung, die ggf. auch den Bereich der Vermögenssorge umspannt, muss nach wie vor mit einer Vorsorgevollmacht legitimiert werden. Mit dieser kann vorsorglich eine Vertrauensperson bevollmächtigt werden, die im Bedarfsfall die rechtlichen Angelegenheiten der vertretenen Person im Umfang der erteilten Vollmacht wahrnimmt. Die Vorsorgevollmacht ermöglicht ein hohes Maß an Selbstbestimmung, setzt aber volles Vertrauen zu der Person voraus, die mit dieser Vollmacht ausgestattet werden soll.
Ich wünsche Dir Zeit
Ich wünsche dir nicht alle möglichen Gaben.
Ich wünsche dir nur, was die meisten nicht haben:
Ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen,
und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen.
Ich wünsche dir Zeit für dein Tun und dein Denken,
nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
Ich wünsche dir Zeit – nicht zum Hasten und Rennen,
sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen.
Ich wünsche dir Zeit – nicht nur so zum Vertreiben.
Ich wünsche, sie möge dir übrig bleiben
als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertraun,
anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schaun.
Ich wünsche dir Zeit, nach den Sternen zu greifen,
und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
Ich wünsche dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.
Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden,
jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
Ich wünsche dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
Ich wünsche dir: Zeit zu haben zum Leben!
Elli Michler