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Zusammenfassung: Gabi Niethammer, so erschienen im Alpha1-Journal 1/2024.
Bekannt ist, dass die Auswirkungen des Alpha-1-Antitrypsin- Mangels (AATM) in der Leber beginnen, denn hier reichert sich das fehl gefaltete Alpha-1-Antitrypsin an (Akkumulation), das nicht vollständig aus der Leber ausgeschleust werden kann. Dies verursacht Stress, der zum Leberumbau und zur Ablagerung von Bindegewebe führen kann. Gleichzeitig fehlt das Alpha-1 in der Lunge und es kann zum Lungenemphysem kommen.
Je mehr Bindegewebe sich in der Leber anreichert, umso mehr vernarbt und verhärtet sie. So entsteht eine Leberfibrose. Das Endstadium ist die Leberzirrhose. Dieser Umbau beeinträchtigt die Leberfunktion und kann zur Entgleisung (Dekompensation) führen. Die Dekompensation bringt verschiedene Komplikationen mit sich wie z.B. eine eingeschränkte Nierenfunktion oder Bewusstseinseinschränkung, eine fortgeschrittene Leberfibrose prädisponiert zudem zur Tumorbildung. Dieser Prozess dauert in der Regel mehrere Jahre, eine signifikante Leberfibrose entwickelt sich in der Regel nicht kurzfristig.
Die Leber ist ein Organ, welches nicht frühzeitig durch Beschwerden auf sich aufmerksam macht. Deshalb ist eine regelmäßige Kontrolle so wichtig. Als Erstes haben wir die akute Schädigung, die wir über die Blutwerte herausfinden können. Für die chronische Schädigung gibt es mehrere Kontrollmechanismen:
- Leberbiopsie als Goldstandard, zur Anwendung in begründeten Verdachtsmomenten
- MR Elastographie, ein gutes Instrument zur Erkennung, leider aber in der breiten Masse nicht verfügbar
- Fibroscan zur Erkennung einer frühen Fibrose sowie zur Beurteilung des Fibrose-Ausmaßes
- Ultraschall zur Gesamtbeurteilung der Leber und zur Erkennung einer Zirrhose
- Blutwerte, aus denen spezielle Scores gebildet werden können wie der APRI-Wert, der sich aus Thrombozyten und AST zusammensetzt
2015 war die Geburtsstunde des Alpha-1-Konsortiums unter der Leitung von Prof. Pavel Strnad. Zu dem Zeitpunkt stand die Lunge als geschädigtes Organ im Vordergrund, der Leber wurde noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Gemeinsam mit Alpha1 Deutschland und den Alpha1 Centern begannen die Leber-Untersuchungen, die erste fand 2015 in Hotelzimmern beim Alpha1 Infotag statt.
Bis heute wurden zehn medizinische Doktorarbeiten und zwei Habilitationen dazu eingereicht und mehr als 2.000 Probanden in die Langzeitstudie eingeschlossen.
Für die bekanntesten Genotypen spricht man heute von folgender Häufigkeit in Europa: PiMM: 9:10 / PiMZ: 1:30 / PiSZ: 1:500 / PiZZ: 1:2.000, wobei wir uns in diesem Referat auf die Auswirkungen für den Genotyp PiZZ konzentrieren.

Die Lebererkrankung bei ZZ-lern verläuft zweigipflig. Der erste Gipfel findet im Kleinkindesalter statt, wo 2–10 % eine cholestatische Erkrankung der Leber entwickeln, die sich meistens durch erhöhte Bilirubinwerte, eine tastbare Leber und/oder verlängerte Gelbsucht äußert. In fast allen Fällen normalisieren sich die Leberwerte im Laufe der Kindheit und Jugend, nur bei einem sehr geringen Prozentsatz (0–2 %) kommt es zu ernsthaften Komplikationen.
Der zweite Gipfel findet im Erwachsenenalter statt. Hier zeigen 20–35 % der PiZZ-ler eine signifikante Leberfibrose, nur etwa 10 % entwickeln eine Lebererkrankung im Endstadium. Sehr wichtig zu wissen ist, dass von den PiZZ-Betroffenen nur 10–15 % erhöhte Leberwerte haben! Das bedeutet, dass erhöhte Leberwerte auch bei ZZ-lern unbedingt abgeklärt gehören, denn auch hier sind hohe Leberwerte nicht normal! Wir konnten feststellen, dass die ZZ-Betroffenen ein 20-fach erhöhtes Risiko für eine fortgeschrittene Leberfibrose im Vergleich zu Patienten ohne AATM haben, bei den SZ-lern ist das Risiko dreifach und bei den MZ-lern zweifach erhöht. Um herauszufinden, wie es PiZZ-Betroffenen seit dem Einschluss in unsere Studie ergangen ist, haben wir in ganz Europa zahlreiche Telefonate geführt. Von 704 befragten ZZ-lern bzw. Angehörigen waren zwischenzeitlich 37 (5,3 %) verstorben, 38 (5,4 %) hatten im Lauf der drei bis fünf Jahre eine Leberkomplikation und 37 (5,2 %) eine Lungenkomplikation entwickelt.
Ein guter Marker zur Vorhersage, ob es eine mögliche Leberkomplikation geben kann, ist ein hoher Fibroscan-Wert bei gleichzeitig hohem APRI-Score. Laut den Daten aus Aachen ist bei einem Fibroscan unter 7,1 das Risiko, innerhalb von drei Jahren eine Leberkomplikation entwickelt zu haben, nicht gegeben.
Für den Genotyp MZ lässt sich sagen, dass er allein keine Lebererkrankung hervorruft. Mit der oben erwähnten 2-fachen Risikoerhöhung wird hier auch eher von einer Schwäche statt einer Erkrankung gesprochen. Erst wenn ein zweiter Risikofaktor (second hit), wie z.B. Übergewicht oder Alkohol hinzukommt, steigt auch das Risiko, tatsächlich eine Lebererkrankung zu entwickeln. So gibt es z.B. eine große Studie, die zeigt, dass bei MZ-Patienten mit einem schweren Alkoholkonsum das Risiko für eine Lebererkrankung auf das 5–6-fache, verglichen mit Konsumenten ohne AATM, anstieg.
Bei MZ-Betroffenen wurde zudem ein etwas erhöhtes Vorkommen von Gallensteinen nachgewiesen. Es gibt neue Daten, dass die Leber von MZ-lern, die eine Leberzirrhose haben, schneller dekompensiert als zirrhotische Lebern von Menschen ohne AATM. Deshalb ist es zu empfehlen, sich in einem Transplantationszentrum vorzustellen, wenn man als MZ bereits eine Leberzirrhose hat, um genauestens über den eigenen Gesundheitsstand aufgeklärt zu werden.
Dank der Substitution gibt es eine gute Therapie, um die Lunge besser zu schützen. Für die Leber gab es bisher keine medikamentöse Option; die Empfehlung belief sich auf die wichtigen Bereiche der Vorsorge wie gesunde Ernährung, genügend Bewegung und wenig Alkohol, um weitere Risikofaktoren für die Leber möglichst zu vermeiden.
In den letzten Jahren haben verschiedene Pharmafirmen versucht, auf drei unterschiedlichen Ebenen die AATM-assoziierte Leberschädigung zu bekämpfen. Die Protein- und somit auch Alpha-1-Antitrypsin-Produktion beginnt mit der DNA, die zuerst in RNA umgeschrieben wird. Die RNA dient anschließend als Vorlage für die Proteinherstellung.
Auf DNA- und Protein-Ebene suchen die sich damit befassenden Pharmafirmen noch nach effektiven Therapieansätzen; am weitesten ist man bislang mit auf der RNA-Ebene gekommen. Hier kann die AAT-Produktion durch die sogenannte siRNA, wie z.B. das Präparat Fazirsiran, gehemmt werden.
Fazirsiran führt dazu, dass die RNA abgebaut wird, wodurch weniger Alpha-1-Antitrypsin entsteht und der durch Proteinanreicherung bedingte Leberstress vermindert wird. In der Phase-2 Studie mit 12 + 4 Patienten erhielten die Probanden Fazirsiran in unterschiedlich hohen Dosen und hatten nach 24 und 48 Wochen je eine Leberbiopsie. Das Ergebnis war sehr erfreulich, denn die Alpha-1-Antitrypsin- Ansammlung in der Leber war gut rückläufig, auch die Leberwerte verbesserten sich. Gleichzeitig blieben die FEV1 Daten trotz Unterdrückung des für die Lunge wichtigen Alpha-1-Antitrypsins stabil. Mittlerweile ist die Studie um eine ähnliche Placebo-kontrollierte Studie erweitert worden und die Phase-2 Daten sind bereits publiziert. Wichtig ist, dass durch den Eingriff auf der RNA-Ebene die Gene nicht verändert werden und die Unterdrückung somit zeitlich begrenzt ist.
Die Phase-3 Studie hat Ende 2023 in Deutschland begonnen; es werden nun erwachsene PiZZ-Betroffene mit einer F2- bis F4-Leberfibrose gesucht und in die Studie eingeschlossen. Mit Fazirsiran gibt es somit die erste wirksame Option, die AAT-assoziierte Lebererkrankung zu behandeln.
Trotz dieser Erfolge ist es immer noch so, dass 85–90 % der PiZZ-Individuen unentdeckt bleiben. Es ist unser aller Aufgabe, diese Zahl zu verringern, um Menschen mit PiZZ die Chance zu geben, aufgeklärt die besten Entscheidungen für ihr Leben machen zu können.
Einschätzung Ihrer Lebergesundheit durch Fibroscan und APRI
In Zusammenarbeit mit Prof. Pavel Strnad und seinem Team am Universitätsklinikum Aachen können wir Ihnen eine Ersteinschätzung inklusive Beratung zur Lebergesundheit anbieten. Erfahren Sie mehr und werden Sie jetzt aktiv!