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Zusammenfassung: Gabi Niethammer, so erschienen im Alpha1-Journal 1/2023.
Die Inaktivitätsspirale: Auswirkungen einer chronischen Lungenerkrankung
Die Idee, das Projekt PROMISE zu starten, begann mit der Auseinandersetzung, welche Auswirkungen eine COPD auf Körper und Psyche hat.
Das Hauptproblem Atemnot führt in einer Abwärtsspirale zu einer sinkenden körperlichen Aktivität, woraufhin die Ausdauerleistungs- und die Kraftfähigkeit sinken. Das hat zur Folge, dass die Atemnot stärker wird – ein Teufelskreis, der in der Immobilität endet, wenn man nicht dagegen steuert. Hinzu kommen können Angstsymptome, die die Atemnot verstärken, und zu Beeinträchtigungen im psychosozialen Bereich führen. Die COPD betrifft also den ganzen Menschen und ist sehr weitreichend.
Auswege aus dem Teufelskreis
Der Königsweg sind multimodale Programme, d.h. Programme, die auf mehreren Ebenen mit verschiedenen Bausteinen stattfinden. Zum Einsatz kommen neben Physiotherapie, körperlichem Training und Ernährungsberatung deshalb noch viele weitere Komponenten.
Der Klassiker unter den multimodalen Programmen ist die stationäre pneumologische Rehabilitation. Am Beispiel der COPD haben Studien gezeigt, dass Reha als multimodale Maßnahme die effektivste therapeutische Maßnahme ist, um die Atemnot zu reduzieren, die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern und die Lebensqualität insgesamt zu verbessern.
Die Problematik ist, dass therapeutische Maßnahmen vergleichbar wirken wie Medikamente, d.h., sie sind nur so lange wirksam, wie man sie durchführt. Somit ist eine der Hauptaufgaben und wohl die größte Herausforderung, die Maßnahmen nach der stationären Reha mit in den Alltag zu übertragen und somit einen langfristig gesundheitsfördernden Lebensstil zu etablieren.
Barrieren für ein Training
Neben dem bekannten „inneren Schweinehund“ gibt es verschiedene weitere Barrieren, wieso ein Training nicht durchgeführt wird:
- Keine Aufnahme in Fitnessstudios – betrifft vor allem schwer Betroffene (LTOT)
- Ländlicher Raum – lange Fahrtwege vs. Belastbarkeit
- Fear Avoidance – Angst vor Atemnot bei Belastung
- Ungenügendes Bewusstsein für nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten • Oftmals unzureichende Expertise im therapeutischen Bereich – z.B. richtige Trainingsbelastung
Der Lösungsansatz: PROMISE – Personalisierte Trainings- und Atemphysiotherapie bei Alpha-1- Antitrypsin-Mangel
wurde das Programm von der Pneumo Factory entwickelt und finanziell unterstützt wird es dankenswerterweise von CSL Behring.
Die Pneumo Factory wurde von der Referentin gemeinsam mit ihrer Kollegin Tessa Schneeberger gegründet und wird zurzeit durch zwei weitere Therapeuten unterstützt. Alle schauen auf langjährige Erfahrung in der Pneumologie zurück und haben sich zum Ziel gemacht, so viele kleine Versorgungslücken wie möglich zu schließen. PROMISE ist hier das Startprojekt.
PROMISE ist ein multimodales Konzept mit vielen individuellen Komponenten, um möglichst effektiv zu sein. Die 1:1 Therapie läuft personalisiert unter der Anleitung von kompetentem und pneumologisch erfahrenem Fachpersonal ab und wird hybrid durchgeführt, d.h. in einer Kombination aus Präsenzterminen zu Hause und digitaler Therapie.
Ziele von PROMISE
Die funktionale Gesundheit von AATM-Betroffenen soll erhalten bleiben bzw. sich möglichst verbessern. Das bedeutet
- mehr Lebensqualität
- größere körperliche Leistungsfähigkeit und mehr Kraft
- weniger Symptome wie Atemnot, Angst, Depressionen
- ein besseres Selbstmanagement
und führt sekundär zu
- besserer sozialer Teilhabe
- weniger Krankentagen
- weniger akuten Exazerbationen und Krankenhausaufenthalten
- geringerer Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen
Wer kann teilnehmen?
Das Angebot richtet sich an COPDler mit Alpha-1-Antitrypsin- Mangel, gleichgültig, ob sie leichte oder bereits schwere Lungenfunktionseinschränkungen haben. Körperliche Einschränkungen können z.B. Atemnot beim Bergaufgehen oder subjektiv empfundene, reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit sein. Am Rollator zu gehen oder eine Sauerstofflangzeittherapie sind keine Hinderungsgründe, ganz im Gegenteil ist es für diese Gruppen besonders schwierig, aber auch besonders wichtig, ein passendes Training zu erhalten, um die starke Dekonditionierung abmildern zu können. Die Teilnahme am Programm ist unabhängig von der Alpha-1-Antitrypsin-Substitution (keine/ Respreeza/ Prolastin) und kostenlos. Wichtig ist, dass der Haus- oder Lungenfacharzt eine allgemeine Trainingsfreigabe erteilt.
Derzeit ist das Projekt auf die Bundesländer Bayern und NRW sowie den Raum Frankfurt beschränkt. Sobald weitere erfahrene Therapeuten in anderen Teilen Deutschlands gefunden sind, wird das Projekt räumlich erweitert.
Zentrale Komponenten von PROMISE
Als multimodales Training beinhaltet PROMISE folgende Module:
- Krafttraining, vorwiegend mit dem eigenen Körpergewicht und Therabändern
- Ausdauertraining durch Gehen, Nordic Walking und/ oder Rad-Ergometer
- Atemphysiotherapie mit Schwerpunkt Lippenbremse
- Körperliche Aktivität, wie z.B. Treppentraining
- Wissen und Eigenkompetenz dank kurzer, knackiger Schulungen
- aussagekräftige Messungen (Assessment) vor und nach dem Programm
Für die Erfolgskontrolle der Teilnehmer wird die körperliche Leistungsfähigkeit mithilfe des 1-Min. Aufstehtests gemessen, Fragebögen erfassen die Lebensqualität sowie Symptome wie Atemnot, Depression und Angst. Ggf. kann die körperliche Aktivität durch das eigene Smartphone/Smartwatch zusätzlich gemessen werden. Es findet eine wissenschaftliche Evaluation statt, um anhand der Daten weiter lernen und das Programm optimieren zu können.
Zeitlicher Ablauf
Es startet mit der Kontaktaufnahme durch den Patienten, geht weiter über die o.a. Trainingsfreigabe mit Unterschrift des behandelnden Arztes, und dann kommt man nach Terminabsprache auch schon ins Tun. Der erste Termin findet in Präsenz zu Hause beim Patienten statt, damit sich Therapeut und Patient kennenlernen und der Therapeut die Umgebungsvoraussetzungen mit in das Trainingsprogramm aufnehmen kann.
Danach finden im Abstand von je zwei Wochen drei digitale Termine statt und in Woche acht ein weiterer Präsenztermin zur Absprache des langfristigen Trainingsplans in späterer Eigenregie. Zwischen den Terminen trainieren die Patienten eigenständig nach ihren individuellen Möglichkeiten.
In Woche 16 gibt es dann noch einmal ein Follow-up, um gemeinsam auszuwerten, ob das Programm die Erwartungen erfüllt hat und ausreichend dazu beiträgt, auch ohne fachliche Unterstützung am Therapieplan festzuhalten. Es werden bei allen drei Präsenzterminen Messungen vorgenommen. Verwendet wird für PROMISE die Videoplattform Red Medical, die die datenschutzrechtlichen Anforderungen für den medizinischen Patientenkontakt erfüllt. Eine Einarbeitung findet mit dem Therapeuten statt. Eine sehr gute Ergänzung ist der Lungensport, sowohl vor Ort als auch digital.
CSL Behring hat vier Broschüren zum Therapieprogramm PROMISE gedruckt, die die Themen Ausdauertraining, Krafttraining, Atemphysiotherapie und körperliche Aktivität umfassen und einen theoretischen Abriss des Programms geben. Diese erhalten die Patienten, wenn sie bei PROSMISE teilnehmen.
Status quo des Programms
- Elf Teilnehmer haben bisher teilgenommen
- Zwei Teilnehmer haben das Programm bereits absolviert
- Sechs Teilnehmer haben bis Anfang Mai ihren letzten Präsenztermin absolviert
- Zusage Projektverlängerung durch CSL Behring bis Mitte 2024, es gibt dafür ungefähr 25 freie Plätze
- Seit dem Alpha-1 Treffen in Bad Wildungen starteten 9 weitere PatientInnen das Programm
- Erste Datenpräsentation soll national zum DGP 2024 und international zum ERS 2024 erfolgen.
Fazit
Teilnehmer, die das Programm absolviert haben, sagten im Feedback-Gespräch, dass sie durch das Training wieder mehr Lebensqualität gewonnen hätten, es ihnen physisch und psychisch besser ginge als vor der Therapie, die Ausdauer besser sei und die Muskelmasse zugenommen hätte. Das erleichtere den Alltag erheblich, was die Teilnehmer dazu motiviere, auf jeden Fall weiterzumachen.