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Malin Fromme und Prof. Pavel Strnad, Leberzentrum der UK Aachen

Lebererkrankung bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Alpha-1-Antitrypsin (AAT) ist ein Eiweiß, welches in den Leberzellen (den sogenannten Hepatozyten) produziert und anschließend ins Blut abgegeben wird, um dort gewebs-verdauende Enzyme zu bekämpfen. Beim Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) ist die Produktion dieses Proteins gestört, so dass es zu einem Aufstau von AAT in den Leberzellen kommt. Besonders stark ist dieses Problem bei Pi*ZZ-Probanden, da bei ihnen beide Kopien des Proteins verändert sind. Da dieser Proteinstau für die Leber belastend ist, leiden Pi*ZZ-Menschen besonders stark unter einem narbigen Umbau der Leber, der sogenannten Leberfibrose. Das Risiko für eine fortgeschrittene Leberfibrose ist bei ihnen bis zu 20-fach erhöht. Besonders anfällig sind dabei übergewichtige Menschen sowie Menschen mit Diabetes mellitus, aber auch Probanden, bei denen wiederholt erhöhte Leberwerte oder das Vorliegen einer alkoholischen oder nicht-alkoholischen Fettleber festgestellt wurde.

Jetzt gibt es mit einem siRNA-Medikament zum ersten Mal eine reelle Option, in diesen Teufelskreis aus Proteinstau und Leberschädigung einzugreifen.

siRNA-Medikamente und die Leber

Die Produktion der Proteine erfolgt in mehreren Schritten. Zuerst wird aus der Erbinformation (der sogenannten DNA) eine Arbeitskopie, die sogenannte RNA erstellt, die zur Herstellung des jeweiligen Eiweißes verwendet wird. Um das Ablesen der einzelnen RNAs und die Erstellung der korrespondierenden Proteine zu unterbinden, wurden in den letzten Jahren so genannte siRNA-Medikamente entwickelt. Das erste siRNA-Medikament wurde im Jahre 2018 zugelassen, aktuell gibt es vier verschiedene Medikamente auf dem Markt. Das Besondere für die aktuell existierenden siRNA-Medikamente ist die Tatsache, dass sie selektiv in die Leberzellen aufgenommen werden und genau dort wirken. Aus diesem Grund scheinen sie recht nebenwirkungsarm zu sein.

Phasen von Arzneimittelstudien

Neue Arzneimittel durchlaufen vor der Zulassung verschiedene Studienphasen, um sicherzustellen, dass sie sicher und wirksam sind. In der präklinischen Phase erfolgt die Testung an Zellkulturen oder in Tierversuchen. In Phase I der klinischen Prüfung wird das Medikament erstmals einer kleinen Anzahl gesunder Probanden verabreicht. Gefolgt wird diese Phase von Phase-II-Studien, die eine kleine Anzahl erkrankter Patienten untersucht, bei denen eine therapeutische Wirkung erwartet wird. Dabei dient diese Phase vor allem der Dosisfindung und dem Monitoring von Nebenwirkungen und eventueller Toxizität. In der dritten klinischen Phase wird das Medikament in einer größeren Gruppe von Patienten getestet, um einen Wirksamkeitsnachweis gegenüber Placebo oder bisherigen Standardtherapien nachzuweisen. Nach der Marktzulassung erfolgt die weitere Testung und Überwachung von Medikamenten in Phase-IV-Studien.

siRNA bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Der siRNA-Ansatz wird auch zur Behandlung der AATM-assoziierten Lebererkrankung verfolgt. Zurzeit laufen Phase-II-Studien, in denen das Medikament bei Pi*ZZ-Probanden zum ersten Mal eingesetzt wird. Die Ergebnisse aus der ersten Studie, der ARO-AAT2002-Studie, wurden erst kürzlich beim amerikanischen Leberkongress vorgestellt. Es wurden insgesamt 16 Pi*ZZ-Probanden behandelt. Das Medikament namens ARO-AAT wurde am Anfang, in Woche vier und dann alle zwölf Wochen gespritzt. In allen Probanden wurde ein deutlicher Abfall der AAT-Serumspiegel gesehen, im Mittel um mehr als 80 %. Mit Hilfe von Leberbiopsien wurde eine ähnliche Reduktion der Akkumulation des Proteins in der Leber nachgewiesen. Passend dazu haben sich die Leberwerte verbessert und lagen am Ende der Studie bei allen Probanden im Normbereich. Trotz der Reduktion des AAT-Spiegels wurden keine klinisch relevanten Veränderungen im Lungenstatus beobachtet. Da die Studien in Jahr 2019 begonnen haben, gibt es aktuell noch keine Daten zur langfristigen Sicherheit.

Die Daten führten jedoch dazu, dass die amerikanische Zulassungsbehörde FDA dem Produkt den begehrten „breakthrough therapy designation“ Status erteilt hat. Mit dieser Bezeichnung zeigt die FDA ihre Bereitschaft, die klinische Prüfung des Produkts durch ihre Expertise zu unterstützen.

Neben dem ARO-AAT-Produkt der Firmen Arrowhead/Takeda steht mit dem Produkt Belcesiran der Firma Dicerna ein zweites siRNA-Präparat für AATM in den Startlöchern. Der Zugang zu diesem innovativen Therapie-Ansatz sollte also in den kommenden Monaten gesichert sein. Daher ermutigen wir alle Pi*ZZ-Probanden mit einer bekannten oder vermuteten Leberbeteiligung dazu, sich bei uns zu melden, um den aktuellen Leberstatus und die Möglichkeit einer Teilnahme an diesen Studien zu erfragen.

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