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Dr. Julia Carmen Schäfer und PD. Dr. Franziska Trudzinski, Alpha1 Deutschland e.V., so erschienen im Alpha1-Journal 2/2022.

Der Krankheitsverlauf, die Symptomschwere und die vergesellschafteten Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) variieren bekanntermaßen beträchtlich zwischen den Geschlechtern bei nahezu allen internistischen Erkrankungen; so auch bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD).¹

 

Unterschiedliche Risikofaktoren

Dies mag zum Teil an unterschiedlichen Risikofaktoren liegen oder auch an intrinsischen, physiologischen Unterschieden. So hatten in der Vergangenheit Männer die höheren Prävalenzraten für eine COPD als Frauen, da der Hauptrisikofaktor Zigarettenrauchen historisch gesehen eher bei dem männlichen Geschlecht anzutreffen war. Allerdings zeigten im Verlauf mehrere Studien mit einer Zunahme des Frauenanteils unter den Rauchern, dass diese tendenziell eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer COPD durch Zigarettenrauchen aufweisen als Männer. Nach Adjustierung für die Stärke des Nikotinabusus fällt bei Frauen außerdem ein schnellerer und stärkerer Anfall mancher Lungenfunktionsparameter durch das Rauchen auf. ²

Ein Grund dafür könnte einerseits in der Anatomie liegen, da Frauen geringere Lungenvolumina und Atemwegsdurchmesser aufweisen als Männer. Andererseits lässt sich auch ein Effekt der Sexualhormone auf die Hyperreaktivität der Atemwege diskutieren. Dies spiegelt sich wiederum in einem höheren Anteil an begleitendem Asthma unter weiblichen COPD-Patientinnen wider. ³

 

Unterschiedliche Komorbiditäten

Generell ist die COPD mit einer Reihe an Begleiterkrankungen vergesellschaftet; insbesondere, aufgrund des ähnlichen Risikoprofils, mit kardiovaskulären Komorbiditäten. Diese tragen entscheidend zur Mortalität bei der COPD bei und beeinflussen relevant die Symptomatik und den Verlauf der Erkrankung.¹ Daher kommt der Früherkennung und adäquaten Behandlung eine besondere Rolle zu.

Auch hier zeigt sich ein Unterschied zwischen den Geschlechtern. Bei Männern sind, wie vermutet, häufiger kardiovaskuläre Komorbiditäten wie koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusserkrankung (pAVK) oder arterielle Hypertonie vertreten. Bei Frauen hingegen sind eher diagnostizierte mentale Erkrankungen oder Osteoporose beschrieben. ³

Gerade kardiale Erkrankungen limitieren oft die Prognose der Patienten. Allerdings werden diese bei COPD-Patienten häufig unterdiagnostiziert, mit der Folge, dass diese auch nicht leitliniengerecht therapiert werden. Ein Grund hierfür sind oft überlappende bzw. nicht klar der einzelnen Erkrankung zuzuordnende Symptome, wie beispielsweise Luftnot.⁴ Auch gibt es keine klaren allgemeingültigen Empfehlungen zum Screening auf bestimmte Komorbiditäten. Da Frauen bekanntermaßen gerade bei kardialen Erkrankungen oft atypische Symptome präsentieren, liegt hier eine weitere Hürde zur Erkennung von Begleiterkrankungen und der Einleitung einer entsprechenden Behandlung.

 

Unterschiedliche Symptomatik und Ausprägung

Männer und Frauen zeigen auch in der Symptomatik der Erkrankung eine unterschiedliche Ausprägung. Der COPD Assessment Test (CAT) ist ein allgemein gültiges und das meist genutzte Werkzeug zur Erhebung der Symptomschwere und Einordnung in die verschiedenen GOLD Gruppen A-D.

Zwar unterscheidet sich der Gesamt-CAT-Score nicht signifikant zwischen den Geschlechtern, jedoch weisen die einzelnen Items, insbesondere 1 (Husten), 2 (Verschleimung), 5 (Aktivitäten) und 8 (Energie) signifikante Unterschiede auf.

Außerdem korrelieren die einzelnen Fragen im CAT unterschiedlich mit möglichen Komorbiditäten bei beiden Geschlechtern. So sollte beispielsweise bei Männern CAT-Item 8 (Energie) ein Hinweis auf eine kardiale Komorbidität sein, während dies bei Frauen eher mit Item 5 (Aktivitäten) zusammenzuhängen scheint.¹

Auch die Ausprägung bzw. der Phänotyp der Erkrankung COPD differiert zwischen den Geschlechtern. Während Frauen eher einen Bronchitis-Phänotyp entwickeln, trifft man den Emphysem-Phänotyp bei Männern häufiger an.⁵ Aufgrund der unterschiedlichen Symptomatik und oft atypischen Präsentation kommt es gerade bei weiblichen Patientinnen teilweise zu einer deutlichen Verzögerung in der Diagnosestellung.⁵

Dies verdeutlicht, dass unterschiedliche klinische Angaben unterschiedliche diagnostische Relevanz unter den Geschlechtern haben und unterschiedliche Hinweise auf Begleiterkrankungen geben können.

 

Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Generell ist die Zeit bis zur Diagnosestellung gerade bei seltenen Erkrankungen oft deutlich zu lange, was auch auf den Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und die dadurch verbundene Lungenerkrankung zutrifft.

Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) wird verursacht durch eine Mutation im SERPINA1 Gen. Die häufigsten Mutationen sind in 95 % der Fälle Z- und S-Mutationen. In der Praxis manifestiert sich die Erkrankung typischerweise in der Lunge und der Leber. In der Lunge kommt es zu einer spezifischen Form der COPD, in der Leber u. a. zur Zirrhose. Mit einer Häufigkeit von 1:5000-1:15000 gehört der AATM zu den häufigeren der seltenen genetischen Erkrankungen.⁵ Wie bei der Nicht-AATM-COPD ist Zigarettenrauchen der Hauptrisikofaktor für die Entwicklung einer Lungenerkrankung bei AATM.

Bisher liegen nur wenige Daten vor über den Einfluss des Geschlechts auf den Verlauf, die klinische Präsentation und das Überleben bei AATM. Da aber bei der raucherassoziierten COPD das Geschlecht eine Reihe von Faktoren bedingt, liegt die Vermutung nahe, dass dies auch für den AATM der Fall sein könnte.

Der Zeitpunkt bis zur Diagnosestellung liegt im deutschen Register bei Männern bei ca. 12,5 Jahren, bei Frauen hingegen 2 Jahre länger, bei 14,5 Jahren.⁵

Die Entwicklung einer COPD bei AATM ist generell sehr variabel. Es wurden bereits in Registern Patientencluster mit unterschiedlichen Phänotypen (Bronchitis-, Emphysemund Asthma-Overlap) identifiziert.⁶ Diese scheinen bei Frauen und Männern im Gegensatz zur raucherassoziierten COPD nicht unterschiedlich häufig aufzutreten.⁵

Während Frauen bei der Nicht-AATM-COPD tendenziell eine niedrigere Lebensqualität angeben, findet sich im deutschen AATM-Register bei der AATM-COPD kein Unterschied im Vergleich zu den männlichen Patienten. Allerdings scheinen Frauen, wie bei der Nicht-AATM-COPD, die Erkrankung bereits durch niedrigere Tabakexposition zu entwickeln als Männer.⁵

In einer anderen Arbeit von DeMeo et al. wurde hingegen gezeigt, dass Männer (sowohl Raucher, als auch Nichtraucher) generell ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Lungenerkrankung bei AATM haben als Frauen, und dass sie niedrigere Spirometriewerte (FEV1) aufweisen.⁷

Darüber hinaus ist die Datenlage zum Einfluss des biologischen Geschlechts bei AATM auf die Krankheitsausprägung und den Verlauf, wie bereits oben erwähnt, sehr limitiert. Es gibt bereits einige Hinweise auf die Relevanz des Geschlechts; für tiefere Erkenntnisse werden aber in der Zukunft noch weitere Studien vonnöten sein.

Dr. Julia Carmen Schäfer und PD. Dr. Franziska Trudzinski

 

Quellen

  1. Trudzinski, F.C., et al., Gender-specific differences in COPD symptoms and their impact for the diagnosis of cardiac comorbidities. Clin Res Cardiol, 2021.
  2. Silverman, E.K., et al., Gender-related differences in severe, early-onset chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med, 2000.162(6): p. 2152-8.
  3. Trudzinski, F.C., et al., Sex-specific associations of comorbidome and pulmorbidome with mortality in chronic obstructive pulmonary disease: results from COSYCONET. Sci Rep, 2022. 12(1): p. 8790.
  4. Alter, P., et al., Prevalence of cardiac comorbidities, and their underdetection and contribution to exertional symptoms in COPD: results from the COSYCONET cohort. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis, 2019. 14: p. 2163-2172.
  5. Fähndrich, S., et al., Sex differences in alpha-1-antitrypsin deficiency lung disease-analysis from the German registry. Copd, 2015. 12 Suppl 1: p. 58-62.
  6. Piras, B., et al., Clinical phenotypes of Italian and Spanish patients with α1-antitrypsin deficiency. Eur Respir J, 2013. 42(1): p. 54-64.
  7. Demeo, D.L., et al., Determinants of airflow obstruction in severe alpha-1-antitrypsin deficiency. Thorax, 2007. 62(9): p. 806-13.
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