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Christine Stukan, so erschienen im Alpha1-Journal 1/2024.

Mein Name ist Christine Stukan, ich bin 58 Jahre alt und habe zwei Töchter im Alter von 25 und 22 Jahren. Mittlerweile bin ich vollverrentet und seit relativ genau einem Jahr lungentransplantiert. Mir geht es mittlerweile so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr, deshalb freue ich mich, dass ich Euch heute meine Geschichte erzählen darf.

Ich habe fast alle Facetten und Stadien der Lungenerkrankung mit COPD durchlebt – angefangen von der Diagnose bis zur Lungentransplantation. Ich möchte Euch Mut machen und Zuversicht schenken, dass sich Durchhalten und Weiterkämpfen in jedem Fall lohnen; für uns und auch für unsere Liebsten.

Anfang der 2000er kam ich über den Hausarzt zur Pneumologin, da ich übers normale Maß hinaus schlecht Luft bekam und sehr kurzatmig war. Es dauerte weitere 6 ½ Jahre, bis ich 2009 die Diagnose AAT Genotyp PiZZ bekam und die Substitution mit Prolastin begonnen wurde. Hierzu war ich in der Uniklinik München-Großhadern. Ich lag mit einer anderen Alpha1-Patientin im Zimmer, die zur Listung zur Lungentransplantation dort war. Recht naiv dachte ich bis dahin, es fehlt mir ein Enzym und wenn ich das zugeführt bekomme, ist alles wieder fein. Durch die Geschichte der Mitpatientin bekam ich mit aller Härte die mögliche Tragweite der Erkrankung zu fassen.

Über die Jahre verschlechterte sich meine Lunge zunehmend. Mein Alltag mit Berufstätigkeit, zwei Schulkindern und Haushalt wurde immer beschwerlicher. Ich arbeitete im Büro, weshalb das überhaupt noch machbar war. 2011 bekam ich im Rahmen einer Reha Langzeitsauerstoff verordnet. Mein Spirit (tragbarer Sauerstoffkonzentrator) und ich wurden ab dann beste Freunde. Mit Sauerstoff konnte ich mich tatsächlich wieder erheblich mehr belasten. In diesem Zug beantragte ich einen höheren Grad der Behinderung und bekam zusätzlich Merkzeichen aG und damit den blauen Parkausweis für Schwerbehinderte – eine erhebliche Alltagserleichterung. Ich kämpfte mich, zunehmend erschwert, durch mein Leben. Es kam dann – on top – zusätzlich noch die Organisation und Versorgung unserer betagten Eltern hinzu. Ich kam mit meinem Gesamtpaket nur noch mehr schlecht als recht über die Runden, aber es musste halt gehen und meine Berufstätigkeit war mir sehr wichtig und gab mir Halt. Durch meine mittlerweile desolate Gesundheitssituation rückte das Thema Transplantation als mögliche Option wieder in meinen Fokus.

„Ich kämpfte mich, zunehmend erschwert, durch mein Leben.“

2013 ging ich deshalb zur Reha. Ich wollte mich intensiv mit dem Thema Transplantation auseinandersetzen. Da es hier um einen maximal invasiven Eingriff mit erheblichen Risiken geht, war das eine doch sehr schwere Entscheidung mit großer Tragweite für mich und auch für meine Familie. Nach reiflicher Überlegung entschied ich mich allerdings erst einmal wegen der Risiken und wegen meiner heranwachsenden Töchter, die mich noch brauchten, dagegen. 2018 bekam ich vier Ventile in den linken unteren Lungenlappen implantiert. Diese funktionierten herausragend gut und meine LuFu verbesserte sich erheblich. Ich hatte für wenige Wochen eine vollkommen neue Lebensqualität und konnte wieder richtig gut atmen. Leider war das nur von kurzer Dauer, weil die Elastizität meiner Lunge nachließ, was wohl in seltenen Fällen vorkommen kann. Dieses erhabene Gefühl, wieder richtig atmen zu können und ausreichend Luft zu bekommen, bewog mich dazu, mich nun doch zur Lu-Tx listen zu lassen. Ich wollte diese Lebensqualität noch einmal erleben, wenn ich die Chance dazu bekäme – trotz aller Risiken.

Im November war ich zwei Wochen zur Listungsuntersuchung in der Uniklinik in München-Großhadern. Das heißt, man wird einmal auf links gedreht und auf den Kopf gestellt. Das war in meinem mittlerweile sehr schlechten Zustand schon echt belastend und sehr anstrengend.

Es wurde mein derzeitiger Gesundheitszustand festgestellt und Krebserkrankungen ausgeschlossen. Auch überprüfte eine Psychologin, ob ich psychisch stabil genug sei für diese schwere und belastende OP. Sie wollte von mir wissen, ob ich mich und eine neue Lunge hinreichend und nachhaltig pflegen würde und ob ich ein neues Organ annehmen und wertschätzen könnte. Auch die Aufklärungsgespräche durch Chirurgie und Anästhesie erfolgten in dem Rahmen, um schnell reagieren zu können, wenn ein Spendenorgan gefunden wäre. So wurde ich 2019 im Februar aktiv gelistet und es hieß: Warten auf ein Organ. Meine Psyche kippte weg und zu allem Überfluss kamen noch Angst- und Panikstörungen dazu, die sich echt dramatisch auswirkten. Ich bekam bis zu zehn Panikattacken am Tag, die mich so außer Gefecht setzten, dass ich kaum mehr Luft bekam. Das war so schlimm für mich, dass ich Hilfe in der Atemnotambulanz suchte.

Patientinnen auf dem Alpha1 Infotag bei Geschenkübergabe.

Die ist dem Palliativbereich der Uniklinik angegliedert. Dort arbeitet man mit einem ganz anderen Ansatz: Die Atemnot kommt zwar von der Lunge, wird aber im Schmerzzentrum des Gehirns ausgelöst. Durch niedrig dosiertes Morphin kann man die Luftnot noch etwas verbessern. Hilfe bekam ich dort auch durch Gespräche mit einer Psychologin, die mir im Anschluss eine Verhaltenstherapie empfahl.

2020/2021 begann ich deshalb eine Therapie, um wieder Kontrolle über meine psychisch desolate Situation zu erlangen und die sehr belastenden Angst- und Panikattacken in den Griff zu bekommen. Das funktionierte allerdings nur mäßig, da es ja eine körperliche Ursache dafür gab. Ich lernte zumindest, mich in solchen Situationen zu regulieren, damit ich überhaupt wieder atmen konnte und ausreichend Luft bekam.

Mir ging es immer schlechter. Dadurch wurde ich immer fragiler und traute mir kaum noch was zu. Bereits kleinste Anstrengungen, wie z.B. Strümpfe oder Schuhe anziehen, brachten mich in akute Atemnot. Eine Erkältung oder irgendein anderer Infekt waren total dramatisch für mich. Ich kam dann kaum noch durch den Tag, obwohl ich ja nichts anderes zu tun hatte, als mich um mich selbst zu kümmern. In dieser Zeit unterstützte mich meine noch daheim lebende Tochter vollumfänglich, wofür ich sehr dankbar bin.

Bei einer Reha 2021 musste ich erkennen, dass ich meine geliebte Berufstätigkeit beenden muss und nicht mehr allein leben konnte. Das war eine sehr schlimme Erkenntnis für mich, wo ich doch mein autonomes Leben so geliebt
hatte. Ich habe dann über die dortige Sozialberatung Pflegestufe 2 beantragt und im Anschluss an die Reha den Rentenantrag auf Erwerbsminderung gestellt.

Im Frühjahr 2022 zog ich zu meiner Schwester und meinem Schwager von München nach Weinheim. Die beiden hatten mir das unglaublich großzügige Angebot gemacht, bei ihnen leben zu können, obwohl meine Schwester selbst schwer erkrankt war. Dafür meinen herzlichsten Dank.

Gegen meine innerste Ablehnung legte ich mir dann sogar einen Rollator zu und wir wurden best friends: Ich konnte wieder allein spazieren gehen und mich mal hinsetzen, und das gab mir Sicherheit. Unterwegs waren meine Schwester und ich ein echter Hingucker, ich mit Nasenbrille und Rollator und meine Schwester mit Nasenbrille – und dann noch die Ähnlichkeit!

Ich kämpfte mich weiter durch mein mittlerweile erheblich reduziertes Leben. Meine LuFu lag nur noch bei 16-18 %. Trotzdem ging ich zum Fitness und Lungensport und drehte meine Waldrunden, was mittlerweile ewig dauerte – Spaß machte das alles überhaupt nicht mehr, aber Aufgeben war keine Option. Auch soll man für eine Transplantation einen einigermaßen stabilen Gesundheitszustand mit möglichst guter Fitness haben – oder was halt davon noch übrig ist.

Im Januar 2023 bekamen meine Schwester und ich eine Schulung und Einweisung zur Heimselbsttherapie mit Respreeza über die Thorax-Klinik. Das brachte uns eine erhebliche Zeitersparnis im Alltag. Für mich ist das jetzt hinfällig, aber meine Schwester profitiert noch davon.

Meine Lungentransplantation und wie es mir danach ging

Nach vier Jahren und zwei Monaten kam um 21:30 Uhr der sehnsüchtig erwartete Anruf aus dem Tx-Zentrum, dass es eine Lunge für mich gäbe. Zu der Zeit waren meine beiden Töchter für eine Woche zu Besuch. Erst blieb mir vor Schreck im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg und dann bekam ich Angst. Meine Töchter packten mir rasch das Nötigste zusammen und eine Stunde später holte mich der Krankenwagen ab nach München. Meine Töchter und ich mussten uns voneinander verabschieden mit der Angst, dass wir uns schlimmstenfalls nicht mehr wiedersehen; aber das kommt zum Glück nur sehr selten vor.

Ich schaffte es tatsächlich, mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass ich jetzt mein Leben in die Hände der Ärzte, dem Schicksal oder dem lieben Gott legen müsse, weil ich selbst keinen Einfluss mehr hatte. Angekommen in München musste ich noch auf das finale GO warten, ob die neue Lunge tatsächlich transplantiert werden konnte; das war nämlich bis dahin noch nicht sicher.

Um 6:00 Uhr ging es dann in den Vorbereitungsraum der Anästhesie und ich war heilfroh, als ich weggebeamt wurde. Drei Tage später wurde ich aus dem künstlichen Koma geholt und war glücklich, als Erstes meine Tochter an meinem Bett zu sehen. Es war also alles gut gegangen und ich lebte. Und der Beatmungsschlauch war raus. Davor hatte ich nämlich auch ziemlich Schiss.

Ich fühlte mich miserabel, obwohl bei mir doch alles supergut gelaufen war. Ich hatte unglaubliche Schmerzen und war so schwach, dass ich kaum sprechen konnte. Luft bekam ich gefühlt auch nicht besser als vorher; erst später erfuhr ich, dass das durchaus normal ist – hätte mir das mal jemand vorher gesagt!

Die ersten Tage und schlaflosen Nächte fragte ich mich allen Ernstes: Worauf hast Du Dich da eingelassen? Die ersten Wochen waren echt richtig schlimm! Nach einer Woche kam ich auf Normalstation.

Täglich kam mein Physiotherapeut, der mich mit immer neuen Übungen wieder auf die Füße stellte und in Bewegung brachte.

Wir machten täglich Atemübungen, weil ich das richtige Atmen erst wieder lernen und üben musste. Meine Muskulatur hatte sich komplett aufgelöst und ich musste mich – unter immer noch starken Schmerzen – ins Leben und auf die Beine zurückkämpfen.

Nach fünf Wochen Krankenhaus ging es direkt zur Reha in die Schönklinik in der Schönau am Königsee. Mittlerweile ging es mir schon erheblich besser und mein Kampfwille war zurück. Neben dem Training und der ärztlichen Betreuung wurden wir ausführlich geschult und auf das Leben daheim vorbereitet. Durch das unterdrückte Immunsystem gab es einiges für mich und meine Angehörigen zu beachten – wie keimarme Ernährung, Hygienemaßnahmen, Eigenschutz durch Maske usw. Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen transplantierten Patienten machte mich sicherer im Umgang mit meiner neuen Situation. Andere Menschen zu treffen, die teils schon Jahrzehnte transplantiert waren und denen es sehr gut ging, machte mir Mut und gaben mir die Zuversicht, dass ich das hinbekomme und alles gut werden würde. Nach insgesamt zehn Wochen ging es endlich nach Hause. Anfangs war ich zu Hause noch sehr unsicher mit den Gegebenheiten, aber das legte sich schnell und ich fand zügig in einen neuen Alltag. Noch immer bin ich unbeschreiblich glücklich über mein neues Leben. Es war und ist bis heute ein erhabenes Glücksgefühl, durchzuatmen und wieder genug Luft zu bekommen.

„Meinem Spender oder Spenderin bin ich unendlich dankbar, dass ich eine neue Lunge geschenkt bekam –und damit ein völlig neues Leben.“

Ich konnte sie problemlos annehmen, weil er oder sie ja nicht für mich gestorben war. Heilfroh und dankbar bin ich auch für die Unterstützung aller, die mich auf meinem Weg ins neue Leben behandelt, betreut und begleitet haben.

Mittlerweile bin ich ein vollkommen neuer Mensch mit einer überragenden Lebensqualität. Ich freue mich jeden Tag aufs Neue über mein Leben und meine Lieben freuen sich mit mir. Ich trainiere fleißig Fitness und Lungensport Gerne mache ich ausgiebige Spaziergänge durch den Odenwald – meiner neuen Heimat; und das macht mir mittlerweile sehr viel Freude. Ich kann wieder zu Veranstaltungen, Festen und Konzerten gehen, mich mit Freunden treffen und alles unternehmen, worauf ich Lust habe und was zuletzt nicht mehr möglich war.

Selbst wenn es mir irgendwann wieder schlechter gehen sollte, werde ich dankbar sein für diese schöne Zeit, die mir geschenkt wurde. Ich würde mich jederzeit und immer wieder für eine Transplantation entscheiden. Wenn Ihr noch Fragen dazu habt, könnt Ihr mich jederzeit gerne ansprechen!

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