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Dipl. Biol. Martina Veith, Prof. Dr. Timm Greulich, Alpha1 Deutschland e.V., so erschienen im Alpha1-Journal 2/2022.
„AAT unterstützt die Immunreaktion und spielt eine wichtige Rolle im Verlauf einer Entzündung, Infektion oder Gewebeverletzung.“
Proteine sind für unseren Körper unentbehrlich, denn sie sind für eine Vielzahl von zellulären Funktionen verantwortlich. Einige Proteine sorgen für die Struktur der Zelle. Andere dienen als Transporter für kleinere Moleküle, wie z. B. das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen, von wo aus Sauerstoff an die Zelle gebracht und Kohlendioxid abtransportiert wird. Sogenannte Enzyme werden benötigt, um biochemische Reaktionen im Körper in Gang zu setzen bzw. diese zu beschleunigen. Antikörper ermöglichen dem körpereigenen Immunsystem die Erkennung und gezielte Bekämpfung von potenziell schädlichen Mikroben.
Alpha-1-Antitrypsin (AAT) ist ein Akut-Phase-Protein. AAT unterstützt die Immunreaktion und spielt eine wichtige Rolle im Verlauf einer Entzündung, Infektion oder Gewebeverletzung. AAT wird vor allem in der Leber gebildet und ist praktisch in allen Körpergeweben zu finden. Es ist eine Art Schutzeiweiß, denn es dient als wichtiger Gegenspieler von körpereigenen Stoffen, die Gewebe abbauen können.
Auch wenn die Proteine eine große Vielfalt an Aufgaben vorweisen, sind alle Proteine nach einem Prinzip aufgebaut. Sie bestehen aus verschiedenen Aminosäuren (Bausteinen), die wie Perlen an einer Kette hintereinander aufgereiht sind und über eine sogenannte Peptidbindung zwischen der Carboxy- Gruppe (das eine ‚Ende‘ einer Aminosäure) der ersten und der Amino-Gruppe (das andere ‚Ende‘ einer Aminosäure) der nächsten Aminosäure verknüpft sind. Je nachdem, welche der 20 Aminosäuren und in welcher Reihenfolge die Aminosäuren aneinandergereiht sind, entstehen unterschiedliche Proteine. Jedes Protein hat eine ganz bestimmte räumliche Struktur. Diese Struktur ist die Voraussetzung dafür, dass das Protein seine spezielle Aufgabe im Organismus wahrnehmen kann.
Die Baupläne für Proteine sind in DNA (engl. desoxyribonucleic acid) -Abschnitten (Genen) in Form eines Codes (genetischer Code) gespeichert. Der genetische Code ergibt sich aus der Abfolge (Sequenz), in der die vier organischen Basen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin angeordnet sind.
Der Prozess vom Gen zum Protein wird als Proteinbiosynthese bezeichnet und besteht aus zwei Hauptschritten: der Transkription und der Translation (siehe Abb. 1 ‚Vom Gen zum Protein‘).
Bei der Transkription (lat. transcribere = umschreiben) werden transportfähige Kopien (mRNA=messenger RNA (Boten-RNA)) von demjenigen DNA-Stück, welches für das Protein codiert, im Zellkern der Zelle hergestellt. Dazu wird die genetische Information der doppelsträngigen DNA in einzelsträngige mRNAs umgeschrieben. In der RNA wird die Base Thymin durch die Base Uracil ersetzt.
Nach der Transkription wird die mRNA aus dem Zellkern ins Cytoplasma transportiert und bindet an das Ribosom, wo sie translatiert (übersetzt) wird. Hierbei dient die mRNA als Vorlage für die Verkettung verschiedener Aminosäuren zu einem Protein.
Drei aufeinanderfolgende Basen, auch Triplett oder Codon genannt, codieren für eine Aminosäure. Zusätzlich gibt es noch spezielle Kombinationen (Codons) für den Beginn (Start) und das Ende (Stopp) eines Gens (siehe Abb. 2 ‚Code-Sonne‘). Dieser Code ist – bis auf wenige Ausnahmen – universell: in Mensch, Maus und Bakterium.
Die Entschlüsselung des genetischen Codes im Jahr 1961 durch Nirenberg und Matthaei machte es möglich, die Vorgänge der Proteinbiosynthese auf molekularer Ebene zu verstehen, und bildet so den Grundstein der Gentechnik (M. W. Nirenberg, J. H.Matthaei, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1961, 47, 1601. 6) Cold Spring Harbor Symposium, Vol. XXXI, 1966, S. 25-38).
Derzeit forschen verschiedene Gruppen weltweit an diversen Anwendungen der ‚medizinischen‘ RNA: das geht von der Behandlung von Erbkrankheiten und Krebserkrankungen bis hin zur Impfung.
Auch auf dem Gebiet Alpha-1-Antitrypsin-Mangel gibt es Studien, die mittels RNA-Interferenz (kurz RNAi) zielgerichtet Gene abschalten. RNAi ist ein natürlicher Mechanismus in den Zellen und dient der Stilllegung von Genen. Die RNAInterferenz beruht auf einer Wechselwirkung kurzer Stücke von RNA mit der mRNA. Als Folge wird die mRNA in mehrere Bruchstücke gespalten und die zu übertragende Information wird zerstört. Eine Translation in ein Protein wird verhindert. Somit kann die Zelle die Produktion von Proteinen regulieren, da nicht in jeder Zelle und zur gleichen Zeit dieselben Proteine benötigt werden.
Dieser Mechanismus wird in einer Studie bei Alpha-1-Antitrypsin- Patienten mit dem Pi*ZZ-Genotyp genutzt. Bei der häufig vorkommenden Z-Mutation wird das Alpha- 1-Antitrypsin fehlgefaltet und kann nicht aus den Leberzellen in die Blutbahn diffundieren. Ein künstlich hergestelltes RNA-Stück soll die Produktion des mutierten Alpha-1-Antitrypsin (Z-AAT) -Proteins unterbinden und somit eine Anhäufung der fehlgefalteten Z-Proteine in den Leberzellen verhindern. Der jetzige Stand der Studie sieht sehr vielversprechend aus. (Strnad P, Mandorfer M, et al. Fazirsiran for Liver Disease Associated with Alpha(1)-Antitrypsin Deficiency. N Engl J Med. 2022 Aug 11;387(6):514-524. doi: 10.1056/NEJMoa2205416. Epub 2022 Jun 25.)
Dipl. Biol. Martina Veith, Prof. Dr. Timm Greulich